Quelle: HBS
Böckler ImpulsMitbestimmung: Betriebsratswahlen: Erfahrung gefragt
Die Trends der Betriebsratswahlen 2006: Mehr erfahrene Arbeitnehmervertreter und mehr Frauen in den Gremien. Die Wahlbeteiligung ist noch einmal gestiegen.
Bei den Betriebsratswahlen 2006 haben vier von fünf Arbeitnehmern ihre Stimme abgeben. Die Beschäftigten sorgten damit für eine höhere Wahlbeteiligung als bei den vorherigen Wahlen, gegenüber 2004 stieg sie leicht von 80,4 auf 81 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte "Trendreport Betriebsrätewahlen 2006". Das Büro für Sozialforschung Kassel (BfS) hat Daten aus insgesamt 20.000 Betrieben ausgewertet, in denen zwischen März und Mai 2006 ein Betriebsrat gewählt wurde. Für 15.000 Betriebe liegen auch Daten aus dem Wahljahr 2002 vor, daher können die Wissenschaftler Trends identifizieren:
Motivierte Neue: Besonders hoch war die Wahlbeteiligung in den Betrieben, in denen die Beschäftigten erstmals über die Besetzung eines Betriebsrats zu entscheiden hatten. Hier gingen mehr als 86 Prozent zu den Wahlurnen. "Nach einer langjährigen Phase gesunkener Wahlbeteiligung kann man die Ergebnisse von 2002 und 2006 als Signal der Arbeitnehmerschaft zum Erhalt der betrieblichen Mitbestimmung deuten - und als Antwort auf die Anti-Mitbestimmungsdebatte der letzten Jahre", analysieren die BfS-Forscher Wolfgang Rudolph und Wolfram Wassermann.
Mehr Frauen: Der aktuelle Wahlgang hat mehr weibliche Beschäftigte mit einem Mandat versehen. In den Betrieben der BfS-Untersuchung, die auch schon 2002 über einen Betriebsrat verfügten, wächst der Anteil der Frauen in den Räten von 25,4 Prozent auf 25,9 Prozent. Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft in den untersuchten Betrieben liegt knapp unter diesen Werten - bei 25 Prozent. Die Einführung einer gesetzlichen Geschlechterquote hatte schon zur Wahl 2002 für einen höheren Frauenanteil gesorgt, der Wert stabilisierte sich nun. Die Forscher beobachten "eine neue Normalität der Frauenrepräsentanz in den Betriebsratsgremien".
Erfahrene Betriebsräte: In der Vergangenheit stieg regelmäßig der Anteil neuer Mitglieder im Betriebsrat. 2002 ergab sich hingegen eine leicht höhere Quote der wieder gewählten Arbeitnehmervertreter. Dieser Trend hat sich verstärkt: 69,4 Prozent der neuen Betriebsräte waren schon zuvor Arbeitnehmervertreter, gut zehn Prozentpunkte mehr als 2002. Die Forscher konstatieren: "Bei der Vielzahl und Komplexität der betrieblichen Anforderungen an Betriebsräte setzen die Mitarbeiter verstärkt auf gestandene und erfahrene Betriebsratsmitglieder." Die Bestätigung vieler Betriebsratsmitglieder dürfte die Altersstruktur nach oben verschoben haben. Der Anteil der Betriebsratsmitglieder zwischen 18 und 45 Jahren ist in den untersuchten Betrieben etwas zurückgegangen. Mit 53,2 Prozent stellen sie aber weiterhin die größte Gruppe.
Wahlverfahren: Das vereinfachte Verfahren wird verstärkt angewandt. Auch in Betrieben, in denen es nicht vorgeschrieben ist, stimmt ein wachsender Anteil der Arbeitgeber zu.
Gewerkschaften: In der Gruppe der Betriebe, die bereits einen Betriebsrat hatten, gehören 73 Prozent der Betriebsratsmitglieder einer DGB-Gewerkschaft an. Das ist zwar ein leichter Rückgang gegenüber den 75,7 Prozent bei der Wahl 2002. Doch der geht nicht zu Gunsten von Konkurrenten: Mitglieder anderer Arbeitnehmer-Organisationen haben nur etwa drei Prozent der Mandate erhalten, ein nahezu unveränderter Wert. Gestiegen ist hingegen der Anteil gewerkschaftlich nicht organisierter Betriebsratsmitglieder - von 21,2 Prozent auf 23,6 Prozent. "Offensichtlich trifft auch nach der Wahl 2006 zu, dass Neuzugänge im Betriebsrat einen wachsenden Anteil nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer umfassen", erklären die Forscher. Steigende Anteile von Frauen und Angestellten im Betriebsrat führten zu einem geringeren Organisationsniveau, da diese Personen in der Regel aus weniger gewerkschaftsnahen Belegschaftsteilen kommen.
Im Laufe einer Wahlperiode steigt jedoch in der Regel der Anteil der Betriebsräte, die auch Gewerkschaftsmitglied sind. Das haben die BfS-Forscher in früheren Untersuchungen festgestellt. Der Grund: Ein Teil der zunächst nicht-organisierten Arbeitnehmervertreter tritt im Laufe seiner Betriebsratstätigkeit der Gewerkschaft bei.
Wolfgang Rudolph, Wolfram Wassermann: Trendreport Betriebsrätewahlen 2006; Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.