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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Betriebsräte: Flexible Freistellungspraxis

Ausgabe 01/2011

Betriebsräte werden nicht nur dann freigestellt, wenn es das Gesetz vorsieht. Arbeiten Betriebsrat und Chef gut zusammen, ist eine Freistellung bereits unterhalb der gesetzlichen Grenze beobachtbar.

In Betrieben mit mindestens 200 Beschäftigten können sich Betriebsräte von ihrer betrieblichen Tätigkeit freistellen lassen. Manche Kritiker behaupten, Betriebe würden zuweilen keine neuen Arbeitnehmer einstellen, damit sie nicht über diesen Schwellenwert rutschen. Die Freistellung steigt jedoch nicht sprunghaft an der Gesetzesschwelle an. Dies zeigen Jens Mohrenweiser vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Uschi Backes-Gellner von der Universität Zürich in einer neuen Untersuchung. Ihr Ergebnis: Die Freistellung nimmt über die Betriebsgröße auch schon vorher kontinuierlich zu. Ob ein Betriebsrat freigestellt wird, hängt von der Anzahl der Mitarbeiter, aber auch vom Verhältnis zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung ab.

Für ihre Studie werteten die beiden Forscher eine repräsentative Befragung von Geschäftsführern in Betrieben mit 20 bis 500 Beschäftigten und Betriebsrat aus. Überraschendes Ergebnis: An der gesetzlichen Grenze von 200 Arbeitnehmern steigt die Zahl der Betriebe mit freigestelltem Betriebsrat nicht sprunghaft an. Stattdessen kann sich bereits in 17 Prozent der Betriebe mit 150 bis 199 Mitarbeitern ein Arbeitnehmervertreter völlig auf seine Aufgaben im Betriebsrat konzentrieren. In etwa 23 Prozent aller Betriebe mit 300 bis 500 Beschäftigten hingegen ist immer noch kein Mitglied des Betriebsrats vollständig freigestellt.

Dieses "empirische Rätsel" erklären Mohrenweiser und Backes-Gellner so: Wo Betriebsrat und Geschäftsführung vertrauensvoll zusammenarbeiten, legen sie anhand der betrieblichen Erfordernisse gemeinsam Freistellungen fest. Deshalb steigen die Freistellungen kontinuierlich mit der Betriebsgröße an. Allerdings: In gut zehn Prozent der Betriebe ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmervertretern und Geschäftsführung schlecht. Dort setzt der Betriebsrat eher sein Recht auf Freistellung direkt an der gesetzlichen Grenze durch. Das Gesetz bekomme "genau dann Biss", wenn es aus Arbeitnehmerperspektive wirklich gebraucht wird, so die Forscher.

  • Die Freistellung von Betriebsräten steigt nicht sprunghaft an der Gesetzesschwelle von 200 Beschäftigten an. Wo Betriebsrat und Geschäftsführer vertrauensvoll zusammenarbeiten, legen sie anhand der betrieblichen Erfordernisse gemeinsam Freistellungen fest. Zur Grafik

Jens Mohrenweiser, Uschi Backes-Gellner: Die Wirkung des Betriebsverfassungsgesetzes am Beispiel der Freistellung von Betriebsräten, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Ausgabe 4/2010; Datensatz erhoben mit Förderung der Hans-Böckler-Stiftung

mehr Infos zum Forschungsprojekt "Mittelstand und Mitbestimmung"

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