Quelle: HBS
Böckler ImpulsInvestivlohn: Betriebsräte beurteilen Kapitalbeteiligung zwiespältig
Betriebsräte beurteilen Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen unterschiedlich - je nachdem, ob sie solche Investivlöhne aus dem betrieblichen Alltag kennen oder nicht. Besonders weit gehen die Meinungen auseinander, was zusätzliche Mitbestimmungsmöglichkeiten betrifft.
Wenn Betriebsräte bereits Erfahrung mit Arbeitnehmer-Kapitalbeteiligungen haben, schätzen sie entsprechende Programme anders ein als die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter: Sie halten Mitarbeiteraktien und ähnliche Beteiligungsformen eher für eine Möglichkeit, die Beschäftigten vom Unternehmenserfolg profitieren zu lassen. Die Risiken schätzen sie geringer ein. Gleichzeitig sind die Betriebsräte mit Praxiserfahrung skeptischer, was erweiterte Mitsprachechancen angeht: Nur 12 Prozent von ihnen glauben, dass Kapitalbeteiligung den Einfluss der Beschäftigten auf die Unternehmenspolitik erhöht. Von allen Betriebsräten - mit oder ohne konkrete Erfahrung mit Kapitalbeteiligung - rechnen dagegen fast 40 Prozent mit mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten durch finanzielle Beteiligungskonzepte. Das geht aus der jüngsten WSI-Betriebsrätebefragung hervor, die WSI-Forscher Reinhard Bispinck und Wolfram Brehmer ausgewertet haben.
"Anscheinend hat sich der Wert der von Arbeitnehmern gehaltenen Firmenanteile in der Vergangenheit meist zur Zufriedenheit der Betriebsräte entwickelt", interpretiert WSI-Vergütungsexperte Bispinck die Ergebnisse. Dennoch sei vielen Betriebsräten das mit Kapitalbeteiligungen verbundene Risiko bewusst. Die Hoffnung, finanzielle Beteiligung würde durch eine veränderte Unternehmenskultur oder direkte Einflussnahme auf Gesellschafterebene zu mehr Mitsprache führen, sei jedoch "offenbar unbegründet", stellt Bispinck fest.
Insgesamt stufen Bispinck und Brehmer die Haltung der Betriebsräte als "ambivalent" ein: "Zwar sehen sie Chancen, die Beschäftigten am Unternehmenserfolg zu beteiligen, aber zugleich betonen die Betriebsräte die Risiken". Uneingeschränkte Zustimmung oder Ablehnung äußerte lediglich ein Viertel der Befragten, wobei die kritischen Stimmen klar überwiegen.
Kapitalbeteiligungen sind relativ selten: Nur in knapp acht Prozent der Betriebe ab 20 Mitarbeitern mit gesetzlicher Arbeitnehmervertretung gibt es laut WSI Kapitalbeteiligungen für Mitarbeiter. Am häufigsten sind Mitarbeiteraktien oder Aktienoptionen. Vergleichsweise stark sind solche Investivlohnmodelle in der Kredit- und Versicherungswirtschaft verbreitet, hier macht fast jedes fünfte Unternehmen seinen Mitarbeitern Beteiligungsangebote. Überdurchschnittlich oft sind Kapitalbeteiligungen in Betrieben anzutreffen,
- die einen hohen Anteil qualifizierter Mitarbeiter haben,
- die Mitarbeiter auch gewinnabhängig bezahlen,
- die einer ausländischen Muttergesellschaft gehören,
- in denen Betriebsrat und Geschäftsführung weitgehend störungsfrei zusammenarbeiten.
Der WSI-Untersuchung zufolge waren die Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit auf dem Gebiet Kapitalbeteiligung recht aktiv: Gut 40 Prozent der praktizierten Investivlohnmodelle wurden nach Angaben der Betriebsräte erst nach dem Jahr 2000 eingeführt.
Verbreiteter sind gewinnabhängige Vergütungen. In gut jedem dritten Betrieb bekommen Beschäftigte Zahlungen, die vom Betriebsergebnis abhängen. Diese Betriebe
- zeichnen sich oft durch eine besonders gute Gewinnsituation aus,
- beschäftigen viele höher qualifizierte Mitarbeiter,
- haben oft 500 Beschäftigte und mehr,
- haben oft eine Geschäftsführung, die mit dem Betriebsrat kooperativ zusammenarbeitet.
Betriebe, die tarifgebunden sind, nutzen gewinnabhängige Bezahlung seltener. Ähnlich wie bei der Kapitalbeteiligung sind ertragsorientierte Vergütungsmodelle bei Banken und Versicherungen besonders häufig. In dieser Branche zahlt mehr als jeder zweite Betrieb erfolgsabhängig.
Reinhard Bispinck, Wolfram Brehmer: Gewinnabhängige Bezahlung und Kapitalbeteiligung: Urteil der Betriebsräte, in: WSI-Mitteilungen 6/2008