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HBS Böckler Impuls

Aufsichtsräte: Abwegige Argumente gegen Mitbestimmung

Ausgabe 02/2016

Verstößt die Mitbestimmung im Aufsichtsrat gegen EU-Recht? Darüber muss bald der Europäische Gerichtshof entscheiden. Die Argumente der Kläger halten Experten für falsch.

In größeren Unternehmen wählen die Beschäftigten ihre Vertreter im Aufsichtsrat. Wahlberechtigt sind nur die Beschäftigten in Deutschland, die Belegschaften der Auslandsfilialen dürfen nicht mit abstimmen. Das hat einen einfachen Grund: Deutschland kann für andere Ländern keine Regelungen zur Aufsichtsratswahl erlassen.

Mitbestimmungsgegner leiten daraus trotzdem ab, dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat die Beschäftigten nicht in legitimer Weise repräsentiere und daher abgeschafft werden müsse. Sie berufen sich unter anderem darauf, dass Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit in Europa verboten ist. So argumentiert auch ein TUI-Kleinaktionär. Das Berliner Kammergericht sollte entscheiden. Im Gegensatz zu allen anderen deutschen Gerichten, die sich bislang mit solchen Fragen beschäftigt und die Mitbestimmung stets als EU-konform bestätigt haben, legten die Berliner Richter die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor. Mit dessen Entscheidung rechnen die Mitbestimmungsexperten Lasse Pütz und Sebastian Sick von der Hans-Böckler-Stiftung Anfang 2017.

Zwar lasse sich nicht mit Sicherheit vorhersagen, wie Europas höchste Richter entscheiden werden. Die Argumentation der Kläger sei jedoch „wenig überzeugend“, erklären die Experten. Sie berufen sich dabei auch auf einen vielbeachteten Aufsatz, den der Göttinger Jura-Professor Rüdiger Krause bereits 2012 verfasst hat.

Argument 1

lautet, ausländische Beschäftigte würden durch die Mitbestimmung im Aufsichtsrat diskriminiert. Dem liegt jedoch eine Fehlinterpretation des Diskriminierungsverbots zugrunde. Dieses besagt, dass kein Ausländer gegenüber einem Inländer benachteiligt werden darf. Es würde zum Beispiel greifen, wenn in der deutschen Niederlassung eines Unternehmens die Deutschen wählen dürften, Kollegen mit spanischer Staatsbürgerschaft aber nicht. Tatsächlich haben beide im deutschen Betrieb ein Wahlrecht und in allen anderen keins. Das ist keine Diskriminierung im Sinne des EU-Rechts. Auch die Regelungen zur Mitbestimmung, die es in 17 anderen EU-Staaten gibt, sind nur im jeweiligen Land obligatorisch.

Argument 2:

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit werde dadurch eingeschränkt, dass Mitarbeiter nicht zu einer Auslandsfiliale des Unternehmens wechseln könnten, ohne ihr Recht zu verlieren, zu wählen oder sich wählen zu lassen. Das Wahlrecht erlischt genaugenommen jedoch nicht durch den Grenzübertritt, sondern durch den Wechsel des Betriebs. Außerdem ist es völlig normal, dass sich bestimmte Rechtsansprüche verändern, wenn Beschäftigte zu einem Betrieb ins Ausland wechseln, zum Beispiel beim Kündigungsschutz. Es würde auch niemand auf die Idee kommen, in deutschen Niederlassungen französischer Konzerne müsse das französische Streikrecht gelten. Die Argumentation, dass die Regeln zur Aufsichtsratswahl Arbeitsplatzwechsel im Konzern verhindern würden, ist nach Einschätzung von Pütz und Sick „erkennbar abwegig“.

  • 635 Unternehmen haben 76er-Mitbestimmung. Zur Grafik

Lasse Pütz, Sebastian Sick: Nagelprobe EuGH – Mitbestimmung untergraben oder festigen? (pdf), Mitbestimmungsreport Nr. 17, Dezember 2015

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