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Homeoffice Mobile Arbeit

Auf einen Blick: Studien zu Homeoffice und mobiler Arbeit

Homeoffice ist in der Corona-Krise für viele zur täglichen Realität geworden. Welche Möglichkeiten die mobile Arbeit bietet und welche Risiken entstehen, erforscht die Hans-Böckler-Stiftung bereits seit vielen Jahren. Unsere wichtigsten Studien und Erkenntnisse im Überblick.

[Aktualisiert am 17.3.2023]

Waren es noch vor einigen Jahren eher wenige Menschen, so kennt wohl mittlerweile eine Mehrheit die Arbeit außerhalb von Büroräumen. Das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden hat pandemiebedingt in den vergangenen Jahren einen regen Zulauf erhalten und ist kaum noch aus der gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitswelt wegzudenken.

Die Verlagerung einer betriebsgebundenen Tätigkeit an einen anderen Ort, das orts- und zeitflexible Arbeiten, wird unter anderem als mobile Arbeit, Telearbeit, Homeoffice oder Heimarbeit bezeichnet.

Homeoffice bleibt

Homeoffice dürfte künftig eine größere Rolle in der Arbeitswelt spielen: Im Juni 2020 stimmten 71 Prozent der Frage zu, ob sie damit rechnen, dass Homeoffice in Zukunft weiter verbreitet sein wird.

Auch 2023 wollen drei Viertel der Beschäftigten, die das Arbeiten zu Hause in Corona-Zeiten kennengelernt haben, Befragungen zufolge auch weiterhin wenigstens teilweise im Homeoffice tätig sein. Nur noch 15 Prozent sagen, dass ihren Vorgesetzten Anwesenheit sehr wichtig sei; vor der Pandemie waren es noch 60 Prozent. Der Anteil der Beschäftigten, die angeben, ihnen sei die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben und die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen wichtig, ist ebenfalls erheblich gesunken. 

  • Was von zu Hause geht

Der Durchbruch des Homeoffice durch die Coronakrise verändert die Ökonomie in den Industrieländern und könnte zu neuen sozialen Spannungen führen. Die Politikwissenschaftler Daniel Lorberg und Holger Janusch betrachten die Pandemie als einen kritischen Bruch in der Entwicklung der globalen Ökonomie, der die Arbeitsorganisation auf einen neuen Entwicklungspfad führen könnte. Allerdings gilt das vor allem für einen Teil der Wirtschaft, nämlich „für die Arbeitsweise von Angestellten, Beschäftigten mit höherer Bildung und Einkommen, in Bereichen wie Management, IT, Finanzen und Recht sowie in Industrieländern mit hohen Einkommen“. 

Einer der Vorteile: Beschäftigte sind im Schnitt produktiver und zufriedener, wenn sie zu Hause arbeiten. Der Effekt fällt individuell allerdings sehr unterschiedlich aus und hängt unter anderem von der Wohnsituation ab.

 

Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz

Zu beachten ist, dass die Grundsätze des Arbeits- und Gesundheitsschutzes – und die Verantwortung des Arbeitgebers – im Homeoffice nicht aufgehoben sind. Auch wenn nicht leicht zu kontrollieren ist, was am privaten Arbeitsplatz geschieht.

Welche Lösungen Beschäftigte und Arbeitgeber finden, um dem Wunsch nach mehr Flexibilität in der betrieblichen Praxis gerecht zu werden, zeigt unsere Auswertung von 31 Betriebs- und Dienstvereinbarungen.

Studien der WSI-Forscherinnen Yvonne Lott und Aline Zucco zeigen, dass sich die Ungleichheiten in den letzten Jahren zwischen den Geschlechtern zum Teil noch vertieft haben. Als Gegenmittel empfehlen die Forscherinnen mehr Homeoffice, reduzierte Arbeitszeiten, mehr Zeitsouveränität für alle Beschäftigten und einen Kulturwandel auf betrieblicher Ebene, zu dem mehr Mitbestimmung beitragen könnte. Eine gerechtere Arbeitsteilung innerhalb der Partnerschaft ist vor allem dann geglückt, wenn Väter im Homeoffice oder mit reduzierter Arbeitszeit tätig waren.

  • Geschlechterungleichheit könnte unter anderem auch durch mobile Arbeit und Homeoffice eingedämmt werden.
    Das Foto entstammt der Serie "Homeoffice - Heimarbeit war gestern" von Werner Bachmeier

Gefahr, dass gesetzliche Regeln umgangen werden

Damit mobiles Arbeiten und Homeoffice jedoch für alle funktionieren können, müssen die richtigen Voraussetzungen geschaffen und am besten in Betriebsvereinbarungen festgehalten werden. Wir zeigen im Video vier Stolperfallen, die es bei Regelungen zu Homeoffice zu beachten gilt:

Tatsächlich birgt die Arbeit zu Hause auch Gefahren, etwa durch psychische Überlastung, Vereinsamung oder Karrierenachteile. Diese Risiken können allerdings abgewendet werden, wenn klare betriebliche Regeln geschaffen und die notwendigen Rahmenbedingungen eingehalten werden, so eine Studie aus dem April 2021 von Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung.

Zahlen und Fakten: Homeoffice-Nutzung während der Corona-Epidemie

Corona ist ein Katalysator für die mobile Arbeit: Ende Juni 2020 arbeiteten rund 16 Prozent der Befragten in unserer repräsentativen Befragung unter Beschäftigten überwiegend oder ausschließlich zu Hause. Weitere 17 Prozent gaben an, abwechselnd im Betrieb oder zu Hause zu arbeiten. Der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice ist damit deutlich höher als vor Ausbruch der Pandemie, als nur 4 Prozent überwiegend oder ausschließlich zu Hause arbeiteten. Noch höher als zuletzt war der Anteil allerdings mit 27 Prozent im April 2020, also kurz nach Beginn der Coronakrise in Deutschland.

Überraschend gering war die Nutzung des Homeoffice hingegen im November 2020 ausgefallen, also im Zeitraum des "Lockdown Light". Nur 14 Prozent der befragten Erwerbstätigen gaben an, überwiegend oder ausschließlich Zuhause gearbeitet zu haben, obwohl die Politik an die Arbeitgeber appelliert hatte, mobile Arbeit flächendeckend möglich zu machen. Erst im Januar 2021 waren die Zahlen wieder annähernd auf dem Niveau vom April des Vorjahres, wie unsere neueste Befragungswelle zeigte. Darin wurde jedoch auch klar: Noch immer werden viele Beschäftigte mit Homeoffice-geeigneten Jobs zur Präsenzarbeit angehalten.

  • Homeoffice Nutzung Juli 2021
    Homeoffice Nutzung Juli 2021

In mitbestimmten Betrieben berichten Beschäftigte überdurchschnittlich häufig über positive Erfahrungen mit dem Homeoffice. In Betrieben mit Betriebsrat tun dies 86 Prozent, im Durchschnitt nur 77 Prozent. Fast die Hälfte der Befragten im Homeoffice möchte auch in Zukunft gern von zu Hause arbeiten. Dies deute auf eine „hohe Zufriedenheit und Offenheit gegenüber dem Homeoffice“ hin, so die Forscherinnen.

  • Eine junge Frau im Homeoffice bzw. der mobilen Arbeit mit einem Notebook auf dem Schoß.

Entgrenzung und Retraditionalisierung: Auswirkungen des Homeoffice auf Beschäftigte

Homeoffice kann tradierte Arbeitsteilung verstärken: Wer zu Hause arbeitet, bringt mehr Zeit für Sorgearbeit auf. Das gilt für Frauen stärker als für Männer. Es braucht also neue Regeln für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Anreize für eine gerechtere Aufteilung von Sorgearbeit. Das zeigt eine Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, die Yvonne Lott vom WSI zusammen mit Claire Samtleben und Kai-Uwe Müller vom DIW verfasst hat.

  • Home-Office: Ungleicher Effekt

Insbesondere bei Eltern sind Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beobachten: Mütter, die im Homeoffice arbeiten, kommen in der Woche auf drei Stunden mehr Betreuungszeit für die Kinder als Mütter, die nicht zu Hause arbeiten können. Bei Vätern sieht es anders aus: Sie machen im Homeoffice mehr Überstunden, nehmen sich aber nicht mehr Zeit für die Kinder.

Die Erfahrungen von Beschäftigten mit dem Homeoffice in Corona-Zeiten sind unterschiedlich: So sagen 77 Prozent, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 60 Prozent glauben, die Arbeit daheim sogar effektiver organisieren zu können als im Betrieb. Allerdings haben 60 Prozent der Befragten mit Homeoffice-Nutzung den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen.

  • Verbesserte Vereinbarkeit, schwierige Abgrenzung

Eng mit dem Thema Homeoffice verknüpft ist oft die Frage nach den Arbeitszeiten: Extrem flexible Arbeitszeiten gehen häufig zulasten der Beschäftigten, zeigt die Studie unserer Expertin für mobiles Arbeiten und Flexibilisierung von Arbeit, Yvonne Lott. Wer im Homeoffice tätig ist, kann abends oft nicht abschalten. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 45 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie bei Beschäftigten, die nie zu Hause arbeiten.

Mobile Arbeit gut gestalten: Voraussetzungen und Best Practice

Was sind die Kriterien für eine erfolgreiche Gestaltung von mobiler Arbeit? Auf die Unternehmenskultur kommt es an, Arbeitgeber und Vorgesetzte müssen die richtigen Voraussetzungen schaffen. Dazu gehört auch eine Formalisierung der mobilen Arbeit: Ist Homeoffice vertraglich geregelt, machen deutlich mehr Arbeitnehmer gute Erfahrungen damit.

Örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten ist heute in beinahe allen Branchen üblich. Das führt zu vielen Fragen, die sich am Präsenz-Arbeitsplatz weniger stellen. I.M.U.-Expertin Sandra Mierich hat die Inhalte von 67 aktuellen Betriebs- oder Dienstvereinbarungen analysiert. Dabei zeigt sich, was die neuralgischen Punkte sind.

Bei der Gestaltung von flexiblen Arbeitszeiten, insbesondere im Homeoffice, kommt es auf klare Regeln an: zeitliche Obergrenzen, Zeiterfassung, realistische Vorgaben für das Arbeitspensum, genug Personal und Vertretungsregeln.

Betriebe mit Betriebsrat haben bei der gerechten Gestaltung solcher Regeln die Nase vorn: Die Wahrscheinlichkeit, dass Betriebe flexible Arbeitszeitarrangements für Beschäftigte mit Betreuungspflichten wie Gleitzeit oder Homeoffice anbieten, erhöht sich demnach um 13,9 Prozentpunkte, wenn es einen Betriebsrat gibt.

In Zeiten von Corona, wo Hunderttausende über Wochen und Monate im Homeoffice arbeiten, wächst bei vielen Vorgesetzten das Bedürfnis, ihre Mitarbeiter zu kontrollieren. Machen sie sich im Homeoffice vielleicht einen lauen Lenz? Die Hersteller von Überwachungssoftware verzeichnen derzeit hohe Zuwachsraten. Doch eine elektronische Überwachung von Beschäftigten im Homeoffice ist nur in eng definierten Fällen erlaubt.

Zukunft der mobilen Arbeit: Ein Recht auf Homeoffice? Zurück zur Präsenzkultur?

Warum ein Recht auf mobile Arbeit und klare Regeln der Zeiterfassung sinnvoll sind, zeigen unsere Studienergebnisse. Viele Beschäftigte arbeiteten vor Corona aufgrund von Barrieren, die sich aus der Unternehmenskultur ergeben, nicht von zu Hause. Ein Recht auf Homeoffice würde vor allem Frauen helfen.

Nötig ist ein fairer Zugang für alle, die mobil arbeiten möchten und bei denen die Arbeitsinhalte mobiles Arbeiten möglich machen. Wichtig ist dabei eine klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit, damit beides nicht immer weiter verschwimmt und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebs- und Personalräten. Darauf weist WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch hin.

Ob wir ein ein “Recht auf Homeoffice” brauchen, haben wir auch zur Debatte gestellt: “Ja”, sagt Astrid Schmidt, Verdi-Referentin in der Bundesverwaltung, Fachgruppe Telekommunikation/Innovation und gute Arbeit. “Nein”, sagt Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

„Wir haben ein großes Potential an Beschäftigten, die im Homeoffice arbeiten könnten, aber es derzeit nicht tun“ – unsere WSI-Expertin für mobile Arbeit, Yvonne Lott, beschreibt in einem umfangreichen Video-Interview des Unternehmensnetzwerks "Erfolgsfaktor Familie" (von 2019) die Trends der Homeoffice-Nutzung und ist überzeigt: Auch jenseits der klassischen Büro-Jobs gibt es Möglichkeiten für Arbeitnehmer*innen, zumindest Teile ihrer Arbeit mobil zu erledigen.  

Folgt nach der Krise die Rückkehr zur Präsenzkultur? Es bestehe die Möglichkeit - bei allen Vor- und Nachteilen des mobilen Arbeitens - das Beste aus beiden Welten in die Nach-Corona-Zeit mitnehmen, schreibt Dorothea Voss, Leiterin unserer Forschungsförderung. Dazu haben wir Stimmen aus dem Homeoffice während der Coronazeit von verschieden betroffenen Menschen zusammengestellt.

Langfristig gehe es um einen Anspruch für Arbeitnehmer*innen auf Homeoffice bzw. mobile Arbeit, schreibt WSI-Expertin Yvonne Lott. Zwei Aspekte seien dabei zentral: Freiwilligkeit der mobilen Arbeit für die Beschäftigten und die Möglichkeit zu einer Mischung aus Homeoffice und Arbeit am Arbeitsplatz.

Expert*innen der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema mobile Arbeit und Homeoffice

Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, WSI-Direktorin (Auch auf Twitter)

Dr. Johanna Wenckebach, HSI-Direktorin (Auch auf Twitter)

Dr. Yvonne Lott, WSI-Referat Genderforschung (Auch auf Twitter)

Dr. Elke Ahlers, WSI-Referat Qualität der Arbeit

Sandra Mierich, Praxiswissen Betriebsvereinbarungen, I.M.U.

 

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