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Henning Wilts knüpfte schon als Student Kontakte zum Wuppertal Institut, wo er heute die Abteilung Kreislaufwirtschaft leitet. Stipendien

Altstipendiat: Weltreisender in Sachen Recycling

Ausgabe 06/2019

Henning Wilts arbeitet beim Wuppertal Institut an seinem großen Ziel: eine Welt, die nicht an ihrem Müll erstickt. Seine Expertise ist weltweit gefragt. Von Yvonne Spenrath

Henning Wilts gehört nicht zu jenen Umweltexperten, die sich am Greenwashing Deutschlands beteiligen wollen. „Beim Thema Abfall gelten wir weltweit als Vorbild“, sagt er. „Dabei haben wir das Problem bisher überhaupt nicht zukunftsfähig gelöst.“ Allein die Menge an Verpackungsabfall aus Kunststoff habe sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt, berichtet Wilts, der am renommierten Wuppertal Institut die Abteilung Kreislaufwirtschaft leitet. Plastikmüll, der kaum verrottet, schädigt weltweit die Ökosysteme. Immer wieder werden Kunststoffe in großen Mengen in den Mägen von Seevögeln, Fischen und Walen gefunden – und als Mikroplastik im menschlichen Körper.

Der 40-jährige Politikwissenschaftler, der vor zehn Jahren, noch während seines Studiums, als wissenschaftlicher Assistent erstmals ans Wuppertal Institut andockte, eine der wichtigen Adressen in Deutschland für Nachhaltigkeitsforschung, will mit seiner Arbeit zur Trendwende beitragen. „Mein Ziel ist es, Abfälle zu vermeiden und mehr Kunststoffe zu recyclen“, sagt er. Sein Plan: Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland rund 50 Prozent der Kunststoffe aufbereitet werden und in die Kreislaufwirtschaft zurückfließen. Fernziel ist ein geschlossenes Kreislaufsystem. Bislang liegt die „stoffliche Verwertungsquote“ bei Kunststoffen bei mageren zwölf Prozent. Ein Großteil des Plastikmülls wurde bis vor Kurzem nach China exportiert – bis die Chinesen dankend ablehnten. 

Eine Welt ohne Müll sei nur zu realisieren, wenn bereits bei der Entwicklung eines Produkts auch dessen umweltgerechte und ressourcenschonende Recyclingfähigkeit berücksichtigt wird. „Das hätte den größten Entlastungseffekt für die Umwelt“, sagt Wilts, „aber noch ist es Zukunftsmusik.“

Seine Doktorarbeit schrieb Wilts über Innovationsprozesse in der kommunalen Abfallwirtschaftspolitik. Nach der Diplomarbeit hatte sich über das Wuppertal Institut der Kontakt zu seinem Doktorvater an der TU Darmstadt und damit die Möglichkeit eines Promotionsstipendiums durch die Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Die finanzielle Unterstützung durch die Stiftung, sagt er, sei wichtig gewesen, um die Promotion zu schreiben.

Mittlerweile ist Wilts’ Expertise weltweit gefragt. In Ghana, wo es große Probleme mit der illegalen Einfuhr und der extrem umwelt- und gesundheitsbelastenden Aufbereitung von Elektroschrott gibt, hat er die Regierung beraten, in Weißrussland einen Wissensaustausch zur Verwertung von Altautos und zum Recycling von Plastikabfällen organisiert.

Seine Tätigkeit lässt sich am besten als wissenschaftliche Politikberatung beschreiben. Das Wuppertal Institut berät weltweit. Zu den Auftraggebern gehören Kommunen und kommunale Unternehmen ebenso wie das Bundesforschungsministerium, die EU oder die Vereinten Nationen. 

Auf seinen Reisen macht Wilts auch irritierende Erfahrungen. Etwa in Argentinien, wo er bei der Errichtung einer der größten Müllkippen des Landes half. „Es war sehr verwirrend für mich, mitzuerleben, wie sich innerhalb kürzester Zeit am Rand der Müllkippe eine Siedlung bildete. Die Menschen dort sichern sich ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln von verwertbarem Müll.“

An seiner Arbeit schätzt Wilts nicht zuletzt den Praxisbezug: „Hier steht nicht, wie so oft in der Wissenschaft, das Forschen um des Forschens willen im Mittelpunkt, sondern die praktische Anwendung des Wissens.“ Bei so viel Reise- und Forschungstätigkeit bleibt nicht viel Zeit für Freizeitaktivitäten, zumal Wilts und seine Frau gerade mit dem Hausbau alle Hände voll zu tun haben.

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