Quelle: Angelika Osthues
StipendienAltstipendiatin: Die Kommunalpolitikerin
Doris Altmann-Maschmann hat ihre Gewerkschaftskarriere für die Familie aufgegeben, ihr politisches Engagement aber nicht: Seit zwölf Jahren sitzt sie im Stadtrat von Versmold. Von Joachim F. Tornau
Versmold ist einer jener Orte, an denen Lebenswege schnell vorgezeichnet sein können. Die Kleinstadt in Ostwestfalen, verspottet als „Fettfleck Deutschlands“, gehört zu den Zentren der deutschen Fleischindustrie. Auch die Eltern von Doris Altmann-Maschmann haben für einen der großen Fleischbetriebe der Region gearbeitet. So war, als die Tochter nach dem Realschulabschluss nicht recht in die Gänge kam, die elterliche Ansage unmissverständlich: „Such dir eine Ausbildung, sonst gehst du auch in die Wurstfabrik.“
Der Druck hat gewirkt. Doris Altmann-Maschmann absolvierte eine Ausbildung zur Bekleidungsschneiderin und – was noch wichtiger für ihren Lebensweg war – engagierte sich gewerkschaftlich. Sie trat in die Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB) ein, die 1998 in der IG Metall aufgehen sollte, ließ sich in die Jugend- und Auszubildendenvertretung wählen und besuchte die Treffen der Gewerkschaftsjugend in Bielefeld. „Für mich als Landei war Bielefeld schon große, weite Welt“, erinnert sich die 55-Jährige. Und in gewisser Weise wurde Bielefeld für sie wirklich so etwas wie das Tor zur Welt.
Mit dem Bundesjugendvorstand der GTB, in den sie mittlerweile aufgestiegen war, fuhr sie nach Israel. Sie betreute Jugendreisen des DGB und flog einmal sogar mit einer offiziellen DGB-Delegation in die USA. „Der Gewerkschaft habe ich viel zu verdanken“, sagt Altmann-Maschmann. Dank einer Förderung der Hans-Böckler-Stiftung konnte sie auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur nachholen. „Das Stipendium hat mir in diesen drei Jahren ein ziemlich sorgenfreies Leben ermöglicht“, sagt sie. „Die das nicht hatten, haben ganz schön geknapst.“
Wer heute mit Doris Altmann-Maschmann spricht, erlebt eine freundliche Frau mit zupackendem, gewinnendem Wesen, humorvoll und durchsetzungsstark. Man könnte sie sich sehr gut als Gewerkschaftssekretärin vorstellen. Doch die nach dem Abitur begonnene Ausbildung brach sie ab, um in Versmold bleiben zu können, bei dem Mann, den sie später geheiratet hat, und bei den Kindern, die sie zusammen haben würden. „Es war damals nicht üblich, dass Mütter arbeiten gingen“, sagt Altmann-Maschmann. Eine einzige Kita habe es zu jener Zeit in Versmold gegeben, bei der die Kinder nicht schon um zwölf Uhr wieder abgeholt werden mussten.
Dass das heute ganz anders aussieht, darüber hat auch Altmann-Maschmann mitentschieden. Seit 2009 sitzt sie für die SPD im Stadtrat von Versmold, ehrenamtlich natürlich. Beruflich hat sie nach verschiedenen Jobs ihre Berufung darin gefunden, als Integrationskraft Kinder mit Behinderung im Schulunterricht zu begleiten. „Ich will etwas bewegen, ich will gestalten“, sagt die Versmolderin über ihr kommunalpolitisches Engagement. Und auch wenn ihre Geduld durch die oft zähen politischen Prozesse für ihren Geschmack mitunter zu sehr strapaziert wird: Altmann-Maschmann ist überzeugt, dass sich in der Kommunalpolitik tatsächlich etwas bewegen lässt. Neben dem Kita-Ausbau fallen ihr spontan das zum Naturbad umgestaltete Freibad oder der in Versmold frühzeitig in die Wege geleitete Hochwasserschutz ein.
Persönliche Anfeindungen habe sie, anders als viele kommunalpolitisch Aktive im Land, noch nicht erlebt. Aber sie kennt die „Nölertypen“, wie sie sie nennt, die immer wieder ankämen mit den gleichen Beschwerden, den gleichen ergebnislosen Diskussionen. „Ich frage dann jedes Mal: Haben Sie sich denn mal überlegt, sich irgendwo zu engagieren? In irgendeiner Partei?“ Dass die Antwort stets Nein ist, gehört zu den Dingen, die Doris Altmann-Maschmann, die Anpackerin, wohl nie verstehen wird.