Quelle: HBS
Service aktuellLABOR.A 2019: "Jede gute Idee bekommt ihre Chance"
Wie geht Gute Arbeit im Zeitalter der digitalen und ökologischen Transformation? Das war das Thema der LABOR.A® 2019 in Berlin, die in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal stattfand.
Von Kay Meiners
Es gibt nicht viele Orte, an denen Wissenschaft, Politik und Praxis zusammenkommen. Dabei ist der Austausch wichtig, findet Christina Schildmann vom SPD-Parteivorstand: „Politik braucht Anstöße aus der Gesellschaft, sonst geht man schnell im Tagesgeschäft unter.“ Solche Anstöße gab es bei der LABOR.A reichlich, die die Hans-Böckler-Stiftung in diesem Jahr zum zweiten Mal ausrichtete. Rund 400 Menschen und 40 Organisationen waren Anfang Oktober nach Berlin gekommen, um über die Arbeitswelt von morgen zu diskutieren. Einen Ort der Ideenproduktion nannte Michael Guggemos, Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung, die LABOR.A. Ein wichtiger Ort in einer Zeit, in der Wünsche und Ansprüche vieler Menschen mit den realen Verhältnissen nicht mehr in Einklang zu bringen seien. Das Motto lautete daher: „Ideen für Arbeit“.
Der Auftaktabend stand im Zeichen des Klimawandels. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und Kajsa Borgnäs, Geschäftsführerin der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE, diskutierten über eine sozialverträgliche Klimapolitik. Beide warnten davor, die Diskussion um die sozialökologische Transformation einseitig als Verzichts- und Ausstiegsdebatte zu führen, da dies viele Menschen verunsichere. Stattdessen sollten sich Gewerkschaften für Innovationen starkmachen und über den Einstieg in neue Technologien sprechen, wobei Hoffmann den Einsatz für mehr Mitbestimmung bei der Digitalisierung und Weiterbildung hervorhob. Borgnäs verwies darauf, dass sich viele nachhaltige Technologien in frühen Entwicklungsphasen befänden. Eine kluge Kombination aus Industrie-, Innovations- und Investitionspolitik müsse den Unternehmen Planungssicherheit verschaffen, damit sich CO2-neutrale Techniken schnell durchsetzen.
Berthold Vogel, Direktor des Soziologischen Forschungsinstitutes (SOFI) in Göttingen, griff den Ansatz von Michael Guggemos auf. Bei der Ideenproduktion fange die Wissenschaft nicht bei null an, sondern verfüge über ein reiches Repertoire an Traditionen, über die Fähigkeit zur Kollaboration und auch über die Forschungserfahrungen im Verbund mit anderen Disziplinen und mit der Praxis. Vogel gab mit dem Satz: „Jede gute Idee bekommt ihre Chance, wenn die Zeit gekommen ist“, ein optimistisches inoffizielles Motto.
Bis ins Jahr 2050 reichten manche Szenarien, die auf der LABOR.A vorgestellt wurden. Doch unsere Arbeitswelt ist noch geprägt vom industriellen Denken des 20. Jahrhunderts, wie Constanze Kurz vom Gesamtbetriebsrat der Robert Bosch GmbH anmerkte: „Wir kommen aus hierarchischen, paternalistischen und arbeitsteiligen Strukturen. Das begünstigt den Austausch auf Augenhöhe gar nicht.“ Der Betriebsrat bei Bosch fordert Weiterbildung ein – und muss dafür komplexe Software genehmigen. Damit, so Kurz, könne er zum einen die Belegschaft aktivieren und zum anderen die Wissenschaft fachlich beteiligen: „Die Forscher können uns das Tagesgeschäft nicht abnehmen – aber mehr als den fertigen Endbericht brauchen wir schon.“
Blick in die Foren
In zahlreichen Foren wurden die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Arbeitswelt diskutiert. Unter dem Titel „Crowd was?“ stellten Promovenden der Universitäten Bielefeld und Paderborn Forschung zu Plattformarbeit vor. Die freie Wahl der Arbeitszeit und den Zugang zum Arbeitsmarkt sahen sie als Chance, doch stehen diesen Chancen Gefahren wie Lohndrückerei, neue Abhängigkeiten und die fehlende soziale Sicherung gegenüber. Die Nachwuchsforscher schlagen die Crowdarbeiter definitorisch eher den Selbstständigen zu als den Arbeitnehmern, gerade mit der Begründung, dass sie sich selbst um ihre soziale Sicherung kümmern müssen. Diese Deutung blieb unter den Zuhörern nicht ohne Widerspruch, am Ende der Diskussion war das Meinungsbild zu Crowdwork im Publikum etwas kritischer als zu Beginn. Einigkeit bestand darin, dass solche Arbeit reguliert werden muss.
Im Workshop „Unsichtbare Herrschaft – wie tief greift ‚algorithmisches Management‘?“ wurde beschrieben, wie Techniken der Bewertung und der Datenanalyse, die ursprünglich aus dem E-Commerce stammen, zunehmend in den Arbeitsbeziehungen selbst eingesetzt werden. Bei Onlinehändlern etwa sind Systeme im Einsatz, bei denen Mitarbeiter sich gegenseitig bewerten – mit Folgen für Aufstiegschancen und Bezahlung. Zwar ist Leistungskontrolle nicht neu, aber wenn eine anonyme Software sie übernimmt, erreicht sie eine neue Qualität, zumal wenn es nicht einmal einen Betriebsrat gibt, der über den Einsatz neuer Technik mitbestimmen kann.
Publikumspreise
Aus dem Ideenpitch „Beschäftigung im Wandel“ ging Marcello Sessini von der IG Metall als Sieger hervor. Er präsentierte ein neues Qualifizierungsformat, das die IG Metall mit der Ruhr-Universität Bochum entwickelt hat. Ein Studiengang für Betriebsräte und Gewerkschafter kombiniert theoretisches Wissen und dessen Anwendung in einer realitätsnahen Produktionsumgebung, der Lern- und Forschungsfabrik der Ruhr-Universität Bochum. Die Absolventen lernen, komplexe Transformationsprozesse durch Mitbestimmung im Sinne der Beschäftigten zu gestalten.
Den Publikumspreis im Pitch „Zukunft. Mitbestimmung!“ gewann Claudia Henke, Mitgründerin der Beratungsfirma h3-o, mit ihrer Idee, ein beschäftigungspolitisches Instrument für das Land Brandenburg zu entwickeln. Ziel ist es, in den Fällen, in denen Unternehmenseigner keine Nachfolger finden, Buy-outs durch die Beschäftigten zu ermöglichen – etwa in Form von Genossenschaften geschehen. Damit würde nicht nur der Demokratiegedanke in der Wirtschaft gestärkt, sondern auch eine alternative Art des Wirtschaftens, die dem Erhalt der Arbeitsplätze eine hohe Priorität einräumt.
Dass das Publikum zwei Projekte ausgewählt hat, die Mitbestimmung einmal beim Thema Qualifikation, einmal beim Thema Beschäftigungssicherung mitdenken, kann durchaus als Signal an die Politik verstanden werden.