Automobilzuliefererkonferenz 2025: Ideen statt Kahlschlag
In der Autoindustrie sieht es zurzeit düster aus. Auf der Zuliefererkonferenz suchte man nach Lösungen jenseits von Massenentlassungen und Standortschließungen.
[26.03.2025]
Von Martin Kaluza
Die Automobilzuliefererkonferenz von Hans-Böckler-Stiftung und IG Metall stand in diesem Jahr unter dem Eindruck gleichzeitig auftretender Krisen. Die Umstellung auf Elektromobilität verläuft holprig. Kostendruck, hohe Energiepreise, schwache Nachfrage in Europa, Handelskonflikte und die wachsende Konkurrenz aus China zwingen die Autohersteller darüber hinaus zum Handeln. Von Januar 2019 bis Juli 2024 sind allein in der deutschen Zulieferindustrie 50.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Noch am Vortag der Konferenz hatte Audi angekündigt, in den nächsten vier Jahren in Deutschland 7.500 Stellen abzubauen. Ein roter Faden der Konferenz sollte daher die Suche nach Lösungen jenseits von Massenentlassungen und Standortschließungen sein.
Die Politik ist gefordert
Christiane Benner, die Erste Vorsitzende der IG Metall, beschwor die Wirksamkeit der Gewerkschaftsarbeit. Am vorangegangenen Wochenende hatte der Aktionstag für gute und sichere Industriearbeitsplätze über 80.000 Metallerinnen und Metaller auf die Straße gebracht. Die größte öffentliche Aktion der Gewerkschaft seit Jahrzehnten, als „Weckruf“ an Politik und Arbeitgeber gestaltet. Benner stellte die Forderungen der IG Metall zur Automobilindustrie vor. Die Politik müsse private und geschäftliche E-Autos mit Steuervorteilen fördern. E-Autos könnten durch soziale Leasingprogramme, wie es sie in Frankreich gibt, für einkommensschwache Haushalte erschwinglich werden. Außerdem müsse Ladestrom vergünstigt und Forschungsförderung für die Batterietechnologie wieder aufgenommen werden.
Marktausblick: E-Mobilität unumkehrbar
Einen vorsichtig optimistischen Ausblick bot Kai Henseler, Associate Partner bei der Unternehmensberatung Berryls by AlixPartners. Er erwartet, dass die Fahrzeugproduktion in Europa in den nächsten vier Jahren jedes Jahr um 1,7 Prozent wächst – während sie etwa in den USA stagniert. IG Metall-Chefin Benner sagte dazu: „Das ist das erste Mal seit Langem, dass ich solche positiven Zahlen sehe.“
Ein weiterer Trend sei allerdings, dass der Marktanteil chinesische Zulieferer steige, bis 2030 würden geschätzt 17 der Top 100 Zulieferer weltweit aus China kommen. Henseler skizzierte einige Ansatzpunkte, wie die deutschen Unternehmen den Herausforderungen begegnen könnten. Hohe Zinsen etwa ließen sich durch alternative Finanzierungsmodelle auffangen, etwa in Kooperation mit Geschäftspartnern. Chancen sieht er für Unternehmen, die den Zugang zu Rohstoffen und Seltenen Erden strategisch absichern: „Wer die Resilienz von Lieferletten gewährleistet, hat ein Argument, warum er nicht der Preisführer sein muss.“ Um vorhandene Kapazitäten auszulasten, könne man stärker auch mit Betrieben anderer Branchen kooperieren.
Unternehmen mit Mitbestimmung bewältigen Krisen besser
Alexandra Schädler und Sebastian Campagna vom I.M.U. der Hans-Böckler-Stiftung unterstrichen, wie wirksam die Arbeit von Aufsichtsräten in Zeiten des Umbruchs und der Krise ist. Studien aus der Zeit der Finanzkrisen 2008 und 2009 etwa zeigten, dass mitbestimmte Unternehmen Krisen besser überstehen – sogar die Aktienrenditen seien bei mitbestimmten Unternehmen höher ausgefallen. Was ebenfalls für Mitbestimmung spricht: Ob ein Transformationsprozess gelingt, hängt stark davon ab, ob die Beschäftigten eingebunden werden und die Veränderungen mitgestalten können.
Konkret empfehlen Schädler und Campagna Aufsichtsräten, darauf zu bestehen, dass Transformationsvorhaben einer Strategie folgen, die klare Ziele beschreibt und diesen Prozess mit
Vehemenz zu begleiten. Beim Risikomanagement können sie ihren Einfluss ebenso geltend machen.
Leitwerke sind gefragt
Sozialwissenschaftler Martin Krzywdzinski, der am Wissenschaftszentrum Berlin die Forschungsgruppe „Globalisierung, Arbeit und Produktion“ leitet, brachte das Konzept der Leitwerke ins Spiel. Das sind Unternehmensstandorte, an denen neue Technologien erstmals produziert werden. Diese erweisen sich in Krisenzeiten als besonders resilient. Leitwerke, so Krzywdzinski, hätten dem Kostendruck etwas entgegenzusetzen: nämlich die Erfahrung, dass die Erstproduktion und Markteinführung gelingen. Allerdings hätten Betriebe unter 250 Beschäftigten diese Möglichkeit kaum.
Dokumentation
Der Druck ist spürbar
Ein digitales Stimmungsbild im Publikum hatte bereits zu Beginn der Konferenz gezeigt, dass die Lage ernst ist: Nur elf von 103 Antwortenden sahen ihr Unternehmen beim Thema Transformation gut aufgestellt – es werde investiert und am Standort entstünden neue Arbeitsplätze. 42 gaben an, ihr Unternehmen investiere, doch die Arbeitsplätze entstünden im Ausland. 21 sehen in ihrem Standort bisher keine Zukunftsprodukte, es gäbe aber Pläne. Und 29 erwarteten wegen fehlender Innovationen einen massiven Arbeitsplatzabbau. Höchste Zeit also, dass der Weckruf ankommt.
Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung betonte, dass Mitbestimmung für die Sicherung von Standorten unerlässlich sei: „Das Management eines Unternehmens kommt und geht. Gute Entscheidungen brauchen jedoch Menschen, denen wichtig ist, was vor Ort passiert. Die Mitbestimmung hat das Gespür, langfristige Entscheidungen zu treffen. Sie ist der starke und stabile Anker." Daher forderte sie von der Politik, die Mitbestimmung besser gegen Angriffe zu schützen.