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Früjahrsempfang Hoffmann Service aktuell

Symposium und Frühjahrsempfang: Auftakt für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz

Zwei Veranstaltungen, ein Thema: Das Symposium zum 50. Jahrestag des Betriebsverfassungsgesetzes von Hans-Böckler-Stiftung und DGB und der anschließende Frühjahrsempfang stellten den Vorschlag für ein Update der Mitbestimmung ins Zentrum.

Die letzte Rede, die Reiner Hoffmann in seiner Doppelrolle als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der Hans-Böckler-Stiftung hielt, hatte es in sich. Auf dem Frühjahrsempfang der Hans-Böckler-Stiftung spann er einen Bogen weit über die Arbeitsweit hinaus. „Wir werden die soziale Demokratie entschieden verteidigen“, erklärte Hoffmann mit Blick bis in die Ukraine, „Mitbestimmung ist ein wichtiger Anker, in Deutschland wie Europa.“ Sie mache „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Bürgerinnen und Bürgern der Betriebe. Das stärkt die Demokratie“. Die oberste der fünf Thesen, die der DGB-Chef im Anschluss präsentierte: Menschen brauchen Sicherheit im Wandel. Deswegen müssten sie in Veränderungen von Beginn an einbezogen werden.

Videos der Veranstaltung

Der Anlass der Rede: Das 68 Seiten starke Reformkonzept für ein zuletzt 1972 modernisiertes Betriebsverfassungsgesetz. Expertinnen und Experten aus DGB, dessen Mitgliedsgewerkschaften und Hans-Böckler-Stiftung haben es mit Rechtswissenschaftlern der Universitäten Bremen und Göttingen verfasst. Es soll den Weg weisen in ein 21. Jahrhundert, in dem Digitalisierung, Internationalisierung, sozial-ökologische Transformation längst Realität sind. Im Berliner E-Werk, dem Ort des Symposiums mit anschließendem Frühjahrsempfang, stellten es Johanna Wenckebach, Wissenschaftliche Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht, und Micha Klapp, Abteilungsleiterin Recht beim DGB-Bundesvorstand, vor. „Der Ball liegt jetzt im Feld der Politik“, schloss Wenckebach, „niemand kann nun sagen, er wüsste nicht Wie“.

  • Frühjahrsempfang Wenckebach
    Johanna Wenckebach, Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht, stellt das Reformkonzept für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz vor.

Ein Appell nicht ohne Ironie. Denn der Koalitionsvertrag bringt, wie die Süddeutsche Zeitung jüngst süffisant bemerkte, das Thema Mitbestimmung auf einer „knappen halben Seite“ unter. Um so interessanter, zu hören, was die Vertreter der Ampelparteien auf dem Podium mit Reiner Hoffmann dazu zu sagen hatten. Eine „echte Arbeitshilfe für die Politik“ nannte es Staatssekretärin Anette Kramme (SPD), und kündigte an, den Entwurf mit in ihre Abteilung im Arbeitsministerium zu nehmen, „die das Betriebsverfassungsgesetz leidenschaftlich liebt, weil es ein ganz bedeutsames Recht ist.“

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke ließ sich gar zu einer Gratulation hinreißen, inklusive eines launigen: „Den Entwurf könnt ihr ja einfach nehmen und uns auf den Tisch legen“. Zwar ergänzte sie, ihn erst noch gründlich lesen zu müssen, forderte jedoch vieles, was sich darin findet: mehr Mitbestimmung bei digitalen Zugangsrechten und in der Weiterbildung, für eine Verbesserung der Klimabilanz sowie im Kampf gegen Diskriminierung und Geschlechterungerechtigkeit.

  • Frühjahrsempfang Podiumsdiskussion
    Die Teilnehmenden des Symposiums (v. links): Carl-Julius Cronenberg (FDP), Beate Müller-Gemmeke (Grüne), Reiner Hoffmann (DGB), Anette Kramme (SPD) und Moderatorin Julia Kropf

Und die FDP? „Betriebsratsarbeit muss digitaler werden, internationaler, attraktiver auch für Jüngere“ konstatierte der Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg. Als „rote Linie“ markierte der FDP-Abgeordnete die „unternehmerische Freiheit“. Fühlten Unternehmer sich „zu sehr eingeschränkt“, investierten sie nicht mehr. „Zumindest auf der Tonspur“ nahm DGB-Chef Hoffmann abschließend „eine Menge Unterstützung“ wahr.  Nun gelte es, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben. Sein Vorschlag zum Verfahren: „Minimalinvasiv“ beginnen, etwa mit mehr digitalen Zugangsrechten für Gewerkschaften und Betriebsräte, wie sie im Koalitionsvertrag auch vereinbart sind. Dann zügig Komplexeres angehen.

Wie groß der Druck in den Betrieben ist, machte das Symposium ebenfalls deutlich. Drei Betriebsräte schilderten ganz verschiedene doch allesamt eindrückliche Perspektiven aus der Praxis. Bis 2035 will Salzgitter Flachstahl CO2-frei produzieren. Dafür notwendig ist ein umfassender Hüttenumbau sowie eine lange Phase des Parallelbetriebs. „Wie viel Personal brauchen wir? Wie wird umqualifiziert?“ Über all das sollte der Betriebsrat mitbestimmen können, forderte Betriebsrätin Lena Fuhrmann.  René Pöhls, Mitglied im Konzernbetriebsrat des internationalen Energieunternehmens Eon stimmte zu und forderte mehr Mitsprache bei drohender Arbeitsverlagerung, bei der Gestaltung der mobilen Arbeit, beim Einsatz Künstlicher Intelligenz. „Die Arbeitswelt  hat sich rasant geändert. Wir Betriebsräte brauchen mehr Rechte,“ so Pöhls.

  • Symposium Betriebsräte
    Perspektiven aus den Betriebsräten: Marion Rabbe (Betriebsratsvorsitzende Vion Emstek), Lena Fuhrmann (Betriebsrätin bei Salzgitter) und René Pöhls (Mitglied im Konzernbetriebsrat von Eon) auf dem Podium

Marion Rabbe, Betriebsratsvorsitzende von Vion Emstek schilderte den Kampf gegen Ausbeutung in einer Branche, in der viele Beschäftigte aus osteuropäischen Ländern kommen: der Fleischindustrie. Mit der Abschaffung von Werkvertrags- sowie der Einschränkung von Leiharbeit sei bereits ein großer Schritt gelungen. Immer mehr trauten sich, ihre Rechte einzufordern. Nun müsste die Mitbestimmung bei so entscheidendem Fragen nachziehen, etwa jener, wo und wie die zureisenden Beschäftigten untergebracht werden. Im Moment, so Rabbe, informiere der Arbeitgeber den Betriebsrat darüber nur: „Da brauchen wir mehr echte Mitbestimmung.“

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