Wolfgang Däubler zum 80. Geburtstag: Der Mann für arbeitnehmerorientiertes Arbeitsrecht
Einer der renommiertesten Arbeitsrechtler Deutschlands wurde 80 Jahre alt. Grund genug für das Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler-Stiftung, den Juristen Wolfgang Däubler mit einem wissenschaftlichen Kolloquium und einer Feierstunde in Frankfurt am Main zu ehren. Und dabei auf ein umtriebiges Berufsleben zurückzublicken, in dem er ein „ziemlich bester Freund“ der Gewerkschaften und Streiter für Arbeitnehmerschutz wurde.
Von Ines Gollnick
Der Jubilar schüttelt lächelnd die Hände der eintreffenden Gäste in der IG Metall Verwaltung in Frankfurt am Main. Er spricht freundlich mit den Gratulanten, von denen er viele ewig kennt, aber manche lange nicht gesehen hat. Professor Wolfgang Däubler wie er leibt und lebt: Gelassenheit, Offenheit und ein grundsätzlich freundlicher Umgangston, gepaart mit einer ausgeprägten Diskussionsfreude gehören zu den hervorstechenden Eigenschaften des seit kurzem 80-jährigen Rechtswissenschaftlers. Das sagen die, die ihn kennen.
Der „schwäbische Tausendsassa“, als solchen bezeichnete ihn die Laudatorin Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall, gehöre dem Kreis großer, respektierter Arbeitsrechtler in Deutschland und in der Welt an. Und das, ohne die Positionen und Fronten gewechselt zu haben, wie sie in ihrer Rückschau auf das Verhältnis zwischen Däubler und den Gewerkschaften unterstrich.
Umtriebig und vital
Der gebürtige Berliner und Wahlschwabe feierte am 5. Mai 2019 seinen 80. Geburtstag. Die Feierstunde und das Symposium, veranstaltet von HSI, BUND Verlag und der Zeitschrift für Soziales Recht, ist ein Geschenk an den Juristen, der in Deutschland tiefe Spuren hinterlassen hat.
Däubler studierte in Tübingen, Hamburg, an der FU Berlin und in Dijon und promovierte 1965 mit einer Arbeit aus dem Gesellschaftsrecht. Seit 1969 ist er mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin verheiratet. 1971 folgte er dann einem Ruf an die Universität Bremen auf den Lehrstuhl für deutsches und europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht. „Offiziell im Ruhestand“, vermeldet die Website der Hochschule aktuell. Doch in der Lehre ist er noch aktiv: Seit 2017 lehrt er an der Fremdsprachenuniversität Bejing. Er spricht fünf Sprachen und hat sich kürzlich Grundkenntnisse in Chinesisch angeeignet.
Däubler erfreut sich einer Vitalität, um die ihn viele beneiden. Zu schaffen, hält ihn sichtlich fit. Er lehrt und publiziert, fördert den Nachwuchs. Auch und gerade Gewerkschafter zählen zu seinen Schülern. Für die Betriebsratsarbeit analysiert er beispielsweise relevante Arbeitsgerichtsurteile. Er berät politisch, vor allem im Ausland. Zuletzt arbeitete er an einem neuen Arbeitsgesetzbuch in Vietnam mit.
Mit Präzision und Bodenhaftung
Wolfgang Däubler publiziert zum deutschen, europäischen und chinesischen Arbeitsrecht in einem Umfang und einer Formatvielfalt, die nahezu einmalig ist, wie Rainer Jöde, Geschäftsführer des BUND Verlags in seinem Grußwort erzählt. Der Jurist schreibt nicht nur Ratgeber, Handbücher und für Datenbanken – sondern auch Comics. Zusammen mit dem Zeichner Reinhard Alff erzählt er unter dem Titel „Alles in Butter“ irrwitzige Geschichten aus dem Alltag eines Betriebsrats. Er ist Mitherausgeber der im BUND Verlag erscheinenden Kommentare zum Betriebsverfassungs- und zum Kündigungsschutzrecht. Sein Ratgeber „Arbeitsrecht“, ein Klassiker, wird gerade ins Chinesische übersetzt. Wann der 80-Jährige das alles schreibt, bleibt vielen nach wie vor ein Rätsel.
Ziemlich beste Freunde
Däubler und die Gewerkschaften seien „ziemlich beste Freunde“, beschrieb Christiane Benner. Ähnlich wie in dem gleichnamigen französischen Spielfilm, in dem ein junger, vorbestrafter Mann aus der Vorstadt einen Millionär und hochgebildeten Kunstmäzen pflegt, der komplett gelähmt ist, geht es auch hier um die Verbindung von sehr Unterschiedlichem. Um zwei Parteien, die mit der Zeit gelernt haben, in gegenseitigem Respekt die Zusammenarbeit zu gestalten und sich Anerkennung zu zollen.
Benner erinnerte an die bewegte Geschichte, die Däubler und die Gewerkschaften miteinander verbindet und während der es oft Meinungsverschiedenheiten und Konflikte gegeben habe - besonders in der Frage der Tarifeinheit. In ihrer Rückschau hob sie das Jahr 1973 heraus, in dem die IG Metall einen konzeptionellen fundamentalen Anlauf zur Politisierung des vom Bundesarbeitsgericht geschaffenen Arbeitsrechts unternahm, um gegen die meist nicht gerade arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung öffentlich zu protestieren. Däubler stellte sich damals hinter die Gewerkschaftsbewegung und übte fundamentale Kritik an der Rechtsprechung.
„Deine Kritik war ein Schutzschild und der zentrale Türöffner für eine fortan immer breiter werdende gewerkschaftlich orientierte Diskussion des deutschen Arbeitsrechts“, hielt Benner fest, „dafür müssen wir dir heute danken.“ Konservative Kräfte hätten versucht, ihn in eine linke Außenseiterposition abzudrängen. Däubler habe sich aber nicht beirren lassen. „Von da an war sein Weg als der Mann für arbeitnehmerorientiertes Arbeitsrecht vorgezeichnet“, betonte Benner.
Ein Standardwerk für Betriebsräte und Gewerkschafter wurde Däublers „Gläserne Belegschaften“. Er nahm sich als einer der ersten in den 80er Jahren diesem Thema an. Bis heute ist der emsige Autor und begeisternde Arbeitsrechtler noch nicht im sprichwörtlichen „Ruhestand“ angekommen - und da will er wohl auch gar nicht hin. Im Dezember wird nun erstmal sein neuestes Werk erscheinen: eine „kleine Geschichte der Betriebsverfassung“.