Projektbeschreibung
Kontext
Ökonomisch haben sich die Vorzeichen am Übergang von der Schule in den Beruf von Jugendarbeitslosigkeit hin zu Fachkräftemangel verschoben. Unbesetzte Ausbildungsstellen bei immer noch hohen Zahlen unversorgter Bewerber*innen und Ausbildungsabbrüchen, aber auch zurückgehende Studierendenzahlen stehen für Passungsprobleme, die institutionell als ökonomisches ‚mismatch’ interpretiert werden. Junge Menschen müssen ihre Ausbildungs- und Berufsentscheidungen dagegen auch mit ihren biografischen Erfahrungen und jugendkulturellen Stilen vereinbaren. Zudem vollziehen sich ihre Übergänge in Ausbildung, Beruf und Arbeit im Kontext umgreifender gesellschaftlicher Transformationen wie Diversifizierung, Digitalisierung, Klimawandel und Klimaprotest und nicht zuletzt einer Pandemie, die Jugendlicher und junger Erwachsene in ihren Übergängen in besonderer Weise ‚ausgebremst‘ hat. Die Individualisierung von Übergängen führt dazu, dass sie Solidarität weniger in formalisierten Organisationen suchen.
Fragestellung
Seit der Studie „Jugend: Arbeit und Identität“ von Baethge u.a. aus dem Jahr 1988 gibt es kaum neuere systematische Untersuchungen dazu, wie sich Vorstellungen junger Menschen von Arbeit, Beruf und Solidarität entwickeln. Angesichts der umgreifenden gesellschaftlicher Transformationen der letzten Jahrzehnte setzt das Vorhaben hier an. Ausgehend von einem relationalen Verständnis von Sozialisation (Grundmann 2022) wird die Entwicklung solcher Vorstellungen als Prozess der Positionierung, d.h. als ein Wechselverhältnis aus Fremd- und Selbstpositionierungen verstanden, in dem diskursive Zuschreibungen, institutionelle Regulierung, jugendkulturelle Praktiken und biografische Verarbeitung ineinandergreifen. Daraus leitet sich folgende Fragestellung ab: „Mit welchen Berufs-, Lebens- und Solidaritätsorientierungen positionieren sich junge Erwachsene beim Eintritt in Ausbildung, Studium und Erwerbstätigkeit in der Arbeitswelt?“
Untersuchungsmethoden
Die Studie wird in jeweils einer städtischen und einer ländlichen Region in in zwei kontrastierenden Bundesländern durchgeführt. Um Prozesse der arbeitsweltbezogenen Positionierung junger Erwachsener im Sinne des Wechselverhältnisses von diskursiven und subjektiven, individuellen und kollektiven Prozessen zu rekonstruieren, kombiniert das Vorhaben verschiedene qualitative Verfahren. Erstens werden insgesamt 16 Gruppendiskussionen mit jungen Erwachsenen sowohl in bildungs- und berufsbezogenen als auch in jugendkulturellen Settings geführt, in denen neue Formen der Solidarisierung im Übergang vermutet werden. Zweitens werden 50 junge Erwachsene mittels problemzentrierter Interviews befragt. Drittens werden die vorläufigen Ergebnisse mit den beteiligten jungen Erwachsenen in partizipativen Workshops diskutiert. Die Befunde sowohl der Analyse als auch der Workshops werden Expert*innen aus Gewerkschaften, Unternehmen, Schule, Beruflicher Bildung und Jugendhilfe präsentiert.