Projektbeschreibung
Kontext
In den letzten Jahren haben sich Medienberichte über Gewalt und Aggressionen gegen Politiker*innen gehäuft. Fälle wie die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) wurden gesellschaftlich breit diskutiert und stellen die extremste Form der Viktimisierung in diesem Bereich dar. Zudem wird auch von einem aggressiver werdenden Ton sowie von zunehmenden persönlichen und digitalen Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Politiker*innen berichtet.
Diese Entwicklungen werfen die Frage nach dem Risiko einer Lähmung demokratischer Institutionen auf, die den demokratischen Prozess sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt schwächen könnten. Die bisherige Forschung hat sich auf kleine Stichproben und einzelne Ebenen der politischen Vertretung konzentriert. Zudem haben die bisherigen Befragungen mit vorab angefertigten Listen von Aggressions- und Gewaltvorfällen gearbeitet, wodurch die Art und der situative Kontext des Vorfalls vielfach unberücksichtigt bleiben.
Fragestellung
Ziel des Projekts ist es, die verschiedenen Arten der Viktimisierung zu erheben, die Politiker*innen in Deutschland erleben. Weiterhin soll untersucht werden, wie verbreitet diese verschiedenen Viktimisierungsarten sind und wie sich die Erfahrungen hinsichtlich Parteizugehörigkeit, Geschlecht, soziodemografischem Hintergrund und politischer Ebene (Bund, Land, Gemeinde) unterscheiden. Auch die persönlichen Folgen, die Folgen für das individuelle politische Engagement sowie der Umgang der Betroffenen mit ihren Viktimisierungserfahrungen werden abgefragt.
Zudem wird erhoben, wie Gewalt gegen Politiker*innen in der Bevölkerung wahrgenommen wird und welchen Einfluss dies auf die Bereitschaft zur Übernahme von politischen Ämtern von bisher nicht politisch aktiven Personen hat. Anschließend soll untersucht werden, wie sich die Viktimisierungserfahrungen von anderen gesellschaftspolitisch engagierten Personen (Gewerkschafter*innen oder Betriebsratsmitglieder) unterscheiden.
Untersuchungsmethoden
In der Studie werden verschiedene Forschungsmethoden miteinander kombiniert. Mit Hilfe von qualitativen Interviews (n=20-25) werden verschiedene Typen von Viktimisierung gebildet, die Formen der Viktimisierung sowie den situativen Kontext mit einbeziehen. Anschließend werden Politiker*innen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene in einer repräsentativen quantitativen Befragung (avisiertes N = ca. 22.600) zu ihren Aggressions- und Gewalterfahrungen, dem Umgang mit diesen sowie den Folgen für das politische Wirken und das Engagement befragt.
Zudem werden für einen Vergleich weitere qualitative Interviews (n=15) mit Gewerkschafter*innen und Betriebsrät*innen geführt.
Abschließen wird das Projekt ein Workshop, in dem die Ergebnisse politischen Entscheider*innen, Vertreter*innen von Interessensverbänden, der Polizei und den Bereichen Prävention und Intervention vorgestellt werden.