Forschungsprojekt: Digitalisierung und Automatisierung der Verwaltung

Auswirkungen auf Prozesse und Beschäftigte am Beispiel fortgeschrittener Projekte

Projektziel

Das Projekt untersuchte die Digitalisierungspraxis in den fortgeschrittenen Verwaltungsbereichen Kfz-Zulassung, Bauaufsicht, Steuerverwaltung und Elternleistungen. Es wurden Veränderungen von Organisation, Arbeitsprozessen und -bedingungen auf der Vollzugsebene analysiert und entscheidende Erfolgsfaktoren und Digitalisierungshemmnisse herausgearbeitet.

Projektbeschreibung

Kontext

Die Digitalisierung des öffentlichen Sektors bildet einen Schwerpunkt der Modernisierungsaktivitäten in Staat und Verwaltung. Die bisherige Umsetzungs- und Wirkungsbilanz ist jedoch eher ernüchternd. Dies gilt insbesondere für die Auswirkungen auf die Beschäftigten im öffentlichen Sektor, die in Abhängigkeit von der Tätigkeit stark variieren. Durch die in jüngster Zeit verabschiedeten Gesetze, vor allem das Onlinezugangsgesetz (OZG), das die Digitalisierung der 575 wichtigsten Verwaltungsleistungen für die Bürger bis zum Jahre 2022 vorsah, hat die Reformdynamik deutlich zugenommen. Wie diese umfassende Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen den öffentlichen Dienst verändert, ist jedoch weitgehend unerforscht.

Fragestellung

Die Studie bearbeitete die folgenden Kernfragen:

(1) Welcher Umsetzungsstand der Digitalisierung, d.h. welche digitale Reife, wurde erreicht und wie ist der Umsetzungsprozess ausgestaltet?

(2) Welche digitalisierungsbedingten Personal-, Organisations- und Leistungsveränderungen gibt es in den Untersuchungsbereichen?

(3) Wie können bestehende Problemlagen überwunden und negative Digitalisierungseffekte vermieden werden?

Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurden bewusst fortgeschrittene Digitalisierungsprozesse im öffentlichen Sektor ausgewählt. Kern der empirischen Analyse bildeten daher die vier Leistungsbereiche Kfz-Zulassung, untere Bauaufsicht (Baugenehmigung), Steuerverwaltung (Einkommenssteuererklärung) und Elternleistungen rund um die Geburt eines Kindes. Diese Fallauswahl ermöglichte es, Einblicke in konkrete digitalisierungsbedingte Veränderungen der Verwaltungswirklichkeit aus einer aufgabenspezifischen Perspektive zu erhalten.

Untersuchungsmethoden

Methodisch stützte sich die Untersuchung auf eine Kombination von qualitativen und quantitativen Erhebungsschritten. Neben umfangreichen Dokumenten- und Literaturanalysen wurden vier Fallstudien durchgeführt, wobei jedes der vier erwähnten Aufgabenfelder jeweils einen „Fall“ mit mehreren untersuchten Einzelorganisationen darstellt. Die Fallstudien basieren auf insgesamt 70 Experteninterviews mit 79 Amtsleitungen, Sachbearbeitern, Regierungsvertretern sowie Stakeholdern. Des Weiteren wurde eine deutschlandweite quantitative Verwaltungsbefragung durchgeführt, bei der Personalräte und Beschäftigte in allen Baugenehmigungsbehörden und Kfz-Zulassungsbehörden sowie Beschäftigte deutscher Finanzämter befragt wurden. Ziel der Befragung waren die Ergänzung, Erweiterung und Validierung der qualitativen Befunde aus den Fallstudien.

Darstellung der Ergebnisse

Die Analyse zeigte, dass der Digitalisierungsstand in Deutschland selbst in fortgeschrittenen Bereichen noch ausbaufähig ist und nach wie vor einige Problemlagen in der Vollzugspraxis bestehen. In den untersuchten Bereichen erwies sich die Digitalisierung zwar als geeignet, um effizientere und kundenfreundlichere Verfahren zu ermöglichen, was insbesondere auf verbesserte Fallbearbeitung, den Wegfall von Papierliegezeiten und Postwegen sowie automatisierten Datenaustausch zurückzuführen ist. Diese Vorteile kommen aber bislang nur eingeschränkt im Arbeitsalltag der Beschäftigten an. Gründe sind Doppelarbeit durch eine Parallelität analoger und digitaler Prozesse sowie die Zunahme vieler kleiner Prozessschritte, die wie z.B. Scannen und Softwareadministration erst durch die Digitalisierung entstanden sind. So kann es sogar zu Zusatzbelastungen kommen, wenn in kommunalen Fachämtern Digitalisierungsaufgaben 'nebenbei' erfüllt werden müssen. Anspruch und Wirklichkeit zwischen politischen Ankündigungen und realen Bedürfnissen auf der Vollzugsebene klaffen noch weit auseinander.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Jörg Bogumil
Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Sozialwissenschaft
LS Vergleichende Stadt- u. Regionalpolitik
joerg.bogumil@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. Sabine Kuhlmann
Universität Potsdam Wirtschafts- u. Sozialwiss. Fakultät
sabine.kuhlmann@uni-potsdam.de

Bearbeitung

Philipp Gräfe
Ruhr-Universität Bochum
philipp.graefe-h9z@rub.de

Liz Wehmeier
Universität Potsdam Wirtschafts- u. Sozialwiss. Fakultät
liz.wehmeier@uni-potsdam.de

Kontakt

Dr. Stefan Lücking
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
stefan-luecking@boeckler.de

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen