Projektbeschreibung
Kontext
Inwiefern durch veränderte berufliche Anforderungen oder veränderte Organisationsprinzipien, die mit der Digitalisierung einhergehen, bestehende Geschlechterungleichheiten reduziert werden können, ist noch offen. Dies gilt insbesondere auch für den Gender Pay Gap. Wenn kulturelle Muster der Wertschätzung von Tätigkeiten entlang von Geschlechterstereotypen weiterhin Bestand haben, kann die Veränderung der Arbeit durch Digitalisierung neue Gefahren der Devaluation weiblich dominierter Tätigkeiten mit sich bringen.
Die Prüfung der Entgeltgleichheit im Betrieb wird vom Entgelttransparenzgesetz verlangt, in der Wahl der Verfahren sind die Betriebe frei. Neue Arbeitsanforderungen, etwa durch Digitalisierung, zu erfassen, erfordert adäquate Verfahren der Arbeitsbewertung und ein Wissen darüber, wie sich Tätigkeitsanforderungen durch Digitalisierungsprozesse verändern.
Fragestellung
Das Projekt nahm Zusammenhänge zwischen Prüfungen der Entgeltgleichheit, Arbeitsbewertung und Digitalisierung in den Blick. Es wurden Handlungsstrategien und Erfahrungen von Betriebsräten mit der Anwendung von betrieblichen Verfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit sowie exemplarisch Veränderungen von Tätigkeitsanforderungen im Zuge der Digitalisierung untersucht.
Folgende Forschungsfragen standen im Vordergrund:
1. Warum und wie haben Betriebe Prüfungen der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern durchgeführt? Was hat die Prüfung gefördert oder gehemmt?
2. Wie verändern sich im Zuge der Digitalisierung Anforderungen an die Beschäftigten und die von ihnen geleistete Arbeit? Inwiefern erfordert die Arbeit neue Kompetenzen, die in der bisherigen Arbeitsbewertung nicht (genügend) berücksichtigt werden?
Untersuchungsmethoden
Für diese explorative Untersuchung wurden verschiedene Methoden angewendet. Auf Basis einer Dokumenten- und Literaturanalyse wurden zunächst Interviews mit gewerkschaftlichen Expert*innen sowie Berater*innen für Entgeltgleichheit durchgeführt.
In einem zweiten Schritt wurden vier Betriebe aus vier verschiedenen Branchen untersucht. Hierzu wurden leitfadengestützte Interviews mit Mitgliedern des Betriebsrates zu ihrer Motivation und ihren Erfahrungen mit Prüfungen der Entgeltgleichheit geführt. Ergänzend wurden einschlägige Tarifverträge, Eingruppierungsrichtlinien, Funktionsbeschreibungen und andere betriebliche Dokumente ausgewertet.
Um geänderte Tätigkeitsanforderungen zu identifizieren, wurden schließlich Beschäftigte aus zwei Betrieben an ihren Arbeitsplätzen beobachtet und hinsichtlich ihrer (gewandelten) Tätigkeitsanforderungen befragt. Ergänzend wurden qualitative Interviews mit Personalverantwortlichen und Führungskräften dieser Betriebe geführt.
Darstellung der Ergebnisse
Die Studie zeigt für vier Betriebe, die im Feld der Entgeltgleichheitsprüfungen aktiv geworden sind - und sich insofern von der Mehrheit der Betriebe in Deutschland abheben -, dass es sowohl an Ressourcen als auch an Wissen und Methoden für betriebliche Entgeltprüfungen mangelt. Trotz Entgelttransparenzgesetz hängen Prüfaktivitäten häufig vom Engagement einzelner Personen ab.
Durch die Digitalisierung verändern sich Tätigkeiten. Unter Umständen steigen kognitive und psychische Anforderungen an die Beschäftigten sowie deren Verantwortung. Herausforderungen für die Herstellung von Entgeltgleichheit bestehen darin, diese Veränderungen adäquat zu erfassen, in aktuellen Tätigkeitsbeschreibungen zu dokumentieren, in Tarifverträgen und sonstigen Arbeitsbewertungssystemen zu berücksichtigen.
Chancen für die Entgeltgleichheit liegen in der Beispielwirkung erfolgreicher Projekte, in der steigenden Akzeptanz von Gleichstellungszielen und einem auch unabhängig von Gleichstellungszielen steigenden Bedarf an Gerechtigkeit, Systematik und Transparenz in der Entgeltpolitik. Auch die Digitalisierung macht eine veränderte und geschlechtergerechte Entgeltpolitik notwendig.