Forschungsprojekt: Das Beschäftigungs-Gesundheits-Dilemma in der Corona-Krise

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Projektziel

Die Corona-Krise zwang prekär Beschäftigte in Krankenhäusern zwischen ihrer (Weiter-)Beschäftigung und dem Schutz ihrer Gesundheit abzuwägen. Das Erleben dieses Dilemmas, zwischen wirtschaftlicher und gesundheitlicher Bedrohung wählen zu müssen, wurde in diesem Projekt in Interviews mit nicht-medizinischen Beschäftigten in Krankenhäusern beleuchtet.

Projektbeschreibung

Kontext

Die Corona-Krise verschärfte soziale Ungleichheiten und traf dabei prekär Beschäftigte, die als Teil der „industriellen Reservearmee“ oftmals kurzfristige oder saisonale Arbeitskraft-Nachfragen abdecken, besonders hart. Während die Corona-Krise viele Einsatzmöglichkeiten prekär Beschäftigter reduzierte (z.B. im Tourismus), wurden u.a. in Krankenhäusern zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht. Letztere Arbeitstätigkeiten waren jedoch häufig mit einer höheren Virusexposition verbunden und gingen mit einem erhöhten Infektionsrisiko aber auch zusätzlichen Belastungen durch entsprechende Schutzvorgaben (z.B. Arbeit in spezieller Schutzkleidung) einher. Diese prekär Beschäftigten, die während der Corona-Krise an vorderster Front in nicht-medizinischen Berufen eingesetzt wurden, standen im Fokus dieses Projekts.

Fragestellung

Aufgrund weniger, stark umkämpfter Erwerbsalternativen standen nicht-medizinische Beschäftigte in Krankenhäusern vor dem Dilemma zwischen einer (Weiter-)Beschäftigung und dem Schutz ihrer Gesundheit wählen zu müssen. Vor einem solchen Beschäftigungs-Gesundheits-Dilemma (BG-Dilemma) kann grundsätzlich jede:r stehen. Es war jedoch eine besonders starke Ausprägung bei nicht-medizinischen Beschäftigten (z.B. Reinigungskräften) in Krankenhäusern zu erwarten, da die Corona-Krise sie gleichzeitig mit einer wirtschaftlichen Bedrohung (Beschäftigungsverlust) und einer gesundheitlichen Bedrohung (Infektionsrisiko) konfrontierte. Ziel des Projekts war es daher zu untersuchen, unter welchen Umständen die Kombination aus einer wirtschaftlichen und einer gesundheitlichen Bedrohung zu einem BG-Dilemma führte. Dabei sollte auch erfasst werden, wie die Beschäftigten mit wirtschaftlichen Bedrohungen, gesundheitlichen Bedrohungen und dem BG-Dilemma umgingen.

Untersuchungsmethoden

Zur vertiefenden Exploration des BG-Dilemmas wurden 42 qualitative Interviews mit nicht-medizinischen Beschäftigten in Krankenhäusern geführt. Die Interviews basierten auf einem teilstrukturierten Leitfaden, der partizipativ mit Betriebsräten und Beschäftigten vergleichbarer Einrichtungen erstellt wurde. Neben festgelegten Fragen stellte die Interviewerin im Laufe des Interviews flexible Nachfragen, wodurch sie individuelles Erleben und Erklärungsmechanismen in einer natürlichen Atmosphäre explorierte. Die Interviews wurden anschließend transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Hierzu bildeten zwei unabhängige Personen induktiv Kategorien anhand von Interviewausschnitten, die von wirtschaftlichen Bedrohungen, gesundheitlichen Bedrohungen, dem BG-Dilemma und den Umgangsweisen handelten.

Darstellung der Ergebnisse

Die Interviews zeigten, dass sich die Ursachen der wirtschaftlichen und der gesundheitlichen Bedrohung auf Gesellschafts-, Organisations- und Personenebene einordnen lassen. Beispielsweise trugen wegfallende Nebenjobs (Gesellschaftsebene), organisationsinterne Umstrukturierungsprozesse (Organisationsebene) und formale Ausbildungen (Personenebene) zur Wahrnehmung einer wirtschaftlichen Bedrohung bei. Die Wahrnehmung einer gesundheitlichen Bedrohung bedingten unter anderem die Verfügbarkeit von Impfstoff (Gesellschaftsebene), defekte Schutzausrüstung (Organisationsebene) und Kontakt zu Personen mit Vorerkrankungen (Personenebene). Das BG-Dilemma äußerte sich bei einem Teil der Interviewten. So gaben einige an, dass sie das Gefühl hatten durch die wirtschaftliche Bedrohung gezwungen zu sein ihre Beschäftigung trotz einer gesundheitlichen Bedrohung zu halten. Um mit den Bedrohungen und dem BG-Dilemma umzugehen, nutzten die Beschäftigten verschiedene Strategien (z.B. vermieden sie Gedanken an die Bedrohungen oder benannten Probleme mit der Schutzausrüstung gegenüber betrieblichen Entscheidungsträger:innen).

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Annekatrin Hoppe
Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Psychologie
Occupational Health Psychology
annekatrin.hoppe@hu-berlin.de

Dr. Jenny Sarah Wesche
Freie Universität Berlin Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie
AB Sozial-, Organisations- u. Wirtschaft
jenny.wesche@fu-berlin.de

Bearbeitung

Franziska Kößler
Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Psychologie
koesslfr@hu-berlin.de

Kontakt

Dr. Eike Windscheid-Profeta
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
eike-windscheid@boeckler.de

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