Projektbeschreibung
Kontext
Drei Jahrzehnte nach der Erreichung der staatlichen Einheit Deutschlands stand die zeitgeschichtliche Auseinandersetzung mit den Prozessen der Einheit und der umfassenden Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat auf der Tagesordnung. Damit geriet auch die Rolle der Ge¬werkschaften in den Blick der Wissen-schaft. Die auf diesem Feld bestehenden Forschungslücken waren angesichts der Bedeutung der Gewerkschaften für das Erreichen gesellschaftlicher Einheit und ihrem Wirken als gesellschaftspolitische Kraft gravierend.
Eine zentrale Frage des Projektes war die der Partizipation. Welche Mitbestimmungsmöglichkeiten boten sich? Welche Bedeutung kam gewerkschaftlichen Konzepten für den Umbau zu, welchen Einfluss konnten Gewerkschaften auf die sozio-ökonomischen Wandlungsprozesse ausüben? Damit stellte sich auch die Frage nach dem Zustand der „sozialen Marktwirtschaft“, in die die Wirtschaft der Ex-DDR umgewandelt werden sollte.
Fragestellung
Das Projekt ging von folgenden Thesen aus: Der DGB und die in ihm vereinten Gewerkschaften waren, erstens, wie die meisten Akteure in Politik und Wirtschaft auf die Ereignisse der Jahre 1989/90 nicht vorbereitet, sie handelten in der Folge dennoch nicht planlos, mit dem Ziel den Prozess der Einheit und des wirtschaftlichen Strukturwandels mitzugestalten. In den gewerkschaftlichen Konzeptionen lässt sich, so die zweite These, im Laufe des Transformationsprozesses eine Verlagerung von Forderungen auf allgemeiner Ebene hin zu konkreten Konzepten (Sanierung, Strukturförderung etc.) erkennen. Und drittens: Die Region als Wirtschafts- und Handlungsraum stellt für die gewerkschaftlichen Einflussmöglichkeiten eine Akteursebene dar, in der Erfolge zu generieren sind. Das Projekt konzentrierte sich auf folgende Schwerpunktbereiche: Die Chemieindustrie, den Braunkohlebergbau und die Werften.
Untersuchungsmethoden
Das Projekt basierte auf einem „Methodenmix“. Zum wesentlichen Teil folgte es der „klassischen“ historischen Methode, d.h. der Auswertung und Interpretation schriftlicher Quellen sowie statistischen Materials. Zudem wurden themenzentrierte Interviews mit Zeitzeug:innen und Expert:innen geführt sowie bereits vorliegende Interviews aus früheren Projekten ausgewertet. Folgende Kategorien sollten für das Erkenntnisinteresse des Projektes leitend sein: „Region“, als Ort „sozialer Interdependenzen“, „Netzwerk“, als Voraussetzung für „soziale Kompromisse“ sowie „Korporatismus“. Inwiefern war dieses Modell eines Interessenausgleiches zwischen Staat, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden in der Phase der Transformation tragfähig?
Darstellung der Ergebnisse
Die Thesen des Projektes erwiesen sich als tragfähig. Trotz eingeschränkter Mitbestimmungsmöglichkeiten konnten die Gewerkschaften die Transformationsprozesse mitgestalten. Die zweite These muss modifiziert werden. Es handelte sich um eine Arbeitsteilung: Der DGB formulierte die allgemeinen Konzepte, die Einzelgewerkschaften waren um Einfluss in den jeweiligen Branchen bemüht. Dabei waren sie mit gravierenden Abstrichen erfolgreich: Erhalt der Standorte bei Abbau eines großen Teils der Arbeitsplätze. Dieser Abbau wurde durch Beschäftigungs- und Sanierungsgesellschaften teilweise kompensiert. Einzig die IG Metall ging mit ihrem Konzept „Industrieholding“ über die branchenbezogenen Konzepte hinaus. Die in der dritten These genannte Bedeutung der „Region“ hat sich bestätigt, wenngleich sie als analytische Kategorie nicht systematisch genutzt wurde, gleiches gilt für die Kategorie „Netzwerk“. Die Kategorie „Korporatismus“ erwies sich allenfalls für eine Spitzenebene („Kanzlerrunden“) als tragfähig. Demgegenüber war die Betriebsebene für die Durchsetzung gewerkschaftlicher Politik von entscheidender Bedeutung.