Projektbeschreibung
Kontext
Angesichts des demografischen Wandels und des immer höher werdenden Arbeitskräftebedarfs in der Altenpflege sowie der andererseits seit Jahren bekannten schlechten Arbeitsbedingungen in der Altenpflege stellt sich die Frage nach der Rolle und den Ursachen für den vergleichsweisen geringen Einfluss der sozialpartnerschaftlichen Akteure in der Altenpflege fast zwingend.
Wir wollen die Probleme der gewerkschaftlichen Vertretung in diesem Berufsfeld historisch fundieren und Handlungsoptionen der ÖTV in diesem Berufsfeld seit den späten 1960er-Jahren untersuchen. Am Beispiel der Altenpflege kann darüber hinaus deutlich gemacht werden, wie sich durch verschiedene Wandlungsprozesse der Gesellschaft, des Sozialwesens, des Arbeitsmarkts und der Arbeitsbeziehungen die Möglichkeiten und Strategien der Interessenvertretung von bzw. für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer(n) im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts veränderten.
Fragestellung
Zielsetzung des Projektes war es, zu verstehen, wie die ÖTV als zuständige Gewerkschaft mit der Etablierung von Altenpflege als Beruf, der Ausweitung des Altenhilfe-Sektors ab 1969 sowie der Professionalisierung des Berufes in den folgenden drei Jahrzehnten umging. Damit soll ein Beitrag zur Geschichte der ÖTV und ihrer Hauptfachabteilung Gesundheitswesen geleistet werden.
Untersuchungsmethoden
Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die dichte Beschreibung von Handlungsoptionen und Handlungsstrategien der Gewerkschaft ÖTV als Institution und Akteur im neuen Berufsfeld Altenpflege seit 1969. Ausgehend von Governance-Konstellationen von Care-Arbeit wurden gewerkschaftliche Politiken und Strategien im neuen Berufsfeld Altenpflege in ihre historischen Diskurs-, Interessens- und Handlungskontexte verortet. Daneben werden die gewonnenen Erkenntnisse Quellengrundlage des Forschungsprojekts waren zeitgenössisches und gegenwärtiges fachpolitisches Schriftgut sowie Archivalien der ÖTV im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bon.
Darstellung der Ergebnisse
In historischer Betrachtung des Handlungsfelds „Altenpflege“ wird die Genese eines für die Beschäftigten problematischen Arrangements von Staat, Markt und Wohlfahrt deutlich. Die ÖTV betätigte sich gleichwohl relativ früh, d.h. seit den 1970er-Jahren, und unter Überwindung beträchtlicher interner und externer Barrieren auf diesem Feld. Anfang der 1980er-Jahre wurden die einschlägigen Arbeitsansätze in der ÖTV konkretisiert. Nach entsprechender Beschlussfassung des Gewerkschaftstags 1984, konnte die Streik- und Protestkampagne „Pflege in Not“ 1988/1989, unterstützt von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis von Kirchen und sozialer Bewegung, dann die erstmalige tarifliche Eingruppierung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern in kommunalen Einrichtungen erreichen.
Im Umfeld der Etablierung und Durchsetzung der sozialen Pflegeversicherung 1995 und der damit beförderten Privatisierung der Trägerschaften von Altenpflegeeinrichtungen geriet die relativ stabile tarifliche Organisation der Altenpflege allerdings sozial- und branchenpolitisch erneut unter Druck trotz paralleler Professionalisierungstendenzen eines nunmehr eigenständig agierenden Berufs „Altenpflege“.