Projektbeschreibung
Kontext
Die Digitalisierung betrifft bereits heute Kernaspekte des Lieferkettenmanagements und verändert dabei auch Verfahren der transnationalen Regulierung von Arbeitsbedingungen. Nichtregierungsorganisationen, Sozialunternehmen oder Beratungsfirmen nutzen und erstellen neue Kommunikationsplattformen und Partizipationskanäle für Arbeiter*innen, Gewerkschaften und Aktivist*innen, wie etwa Smartphone-basierte ‚Worker Voice Tools‘. Diese und andere digitale Technologien sollen bestehende Probleme des Monitorings und der Beteiligung von Arbeiter*innen adressieren und Arbeitsbedingungen verbessern. Bisher besteht vielfach Hoffnung in die Potentiale digitaler Technologien, aber mindestens ebenso große Skepsis und die Befürchtung einer wachsenden Kontrolle von Unternehmen. Allerdings sind bisher die Potenziale und Risiken weitgehend unerforscht.
Fragestellung
Das Projekt bearbeitet drei Fragenkomplexe:
1.) Digitale Rekonfigurationen von Beteiligung in der GVC-Governance durch neue Informationstechnologien
- Welche Formen digitaler Partizipationsinstrumente in der Lieferkette gibt es, wie verbreitet sind sie und wie sind sie strukturiert?
- Welches Potenzial und welche Risiken bergen sie für die Partizipation von Arbeitnehmer*innen?
2.) Digitale Strategien von Arbeiter*innen und Unterstützungsnetzwerken
- Inwiefern verbinden Arbeiter*innen im Globalen Süden On- und Offline-Strategien?
- Inwiefern werden Online-Strategien als Stärkung oder Schwächung der Organisierung, Mobilisierung und Teilhabe von Arbeiter*innen wahrgenommen?
3.) Politischer Kontext und Handlungsoptionen
- Wie sind digitale Technologien gesellschaftlich eingebettet – werden sie aktiv reguliert, politisch gefördert oder behindert?
- Welche Folgewirkungen und Spillover-Effekte der Digitalisierungsdynamiken im Kontext von GVCs sind zu beobachten?
Untersuchungsmethoden
Wir unterscheiden drei Forschungsblöcke mit je spezifischen Untersuchungsmethoden:
1. Datenbankerstellung: Mittels einer Codierung der Informationen der Webseiten und Blogs der Anbieter von Worker Voice Tools sowie Follow-up-Interviews mit einzelnen Anbieter*innen sowie mit Nutzer*innen (Unternehmen, Standardinitiativen) erstellen wir einen Überblick über relevante Instrumente. Dabei wird auch die Rolle von Programmierer*innen in den Blick genommen.
2. Arbeiter*innen-Strategien: Durch qualitative Interviews und Fokusgruppen in Indien und Brasilien erheben wir Erfahrungen und Strategien im Umgang mit digitalen Tools. Hier arbeiten wir eng mit Projektpartner*innen und Gewerkschaften vor Ort zusammen.
3. Politische Kontextfaktoren: Informationen zu nationalen und lokalen Kontextfaktoren sowie digitalen Entwicklungspfaden werden aus der Literatur sowie den Interview-Daten während der Feldforschung erhoben.
Darstellung der Ergebnisse
Das Projekt schlägt das Konzept der Digital Worker Feedback Infrastructures (DWFI) vor und teilt es in management- und worker-orientierte Tools ein. Die Fallstudie zeigt, dass der Nutzung von DWFI durch Arbeiter*innen (Textil, Kaffee in Brasilien) eine große Skepsis bzgl. Wirksamkeit, Sicherheit und Vertraulichkeit entgegensteht. Publikationen:
Sorg C/Vestena CA/Scheper C/Zajak S 2023, Digital worker feedback infrastructures: The digitalisation of worker rights monitoring in global value chains. The Economic and Labour Relations Review, 1-18. https://doi.org/10.1017/elr.2023.36
Scheper C/Vestena CA/Sorg C/Zajak S 2023, Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht und der Einsatz von Worker Voice Tools. In: Haipeter T et al. (Hg), Soziale Standards in globalen Lieferketten: Internationale Richtlinien, unternehmerische Verantwortung und die Stimme der Beschäftigten, Bielefeld.
Sorg, C/ Vestena CA/Scheper C/Zajak S 2022, Worker Voice Tools ohne worker voice? Zur digitalen Governance von Arbeitsrechten in globalen Wertschöpfungsketten, WSI-Mitteilungen, 6/2022: 448-456.
Vestena CA/ Scheper C: Das Recht und intersektionale Konflikte in globalen Produktionsnetzwerken, Manuskript in Begutachtunng