Projektbeschreibung
Kontext
Grundlegend war die Annahme, dass im Rahmen von Ankunftsarbeit zertifizierte Qualifikationen eine geringere Rolle für Einstellung, Arbeitstätigkeit und innerbetrieblichen Aufstieg spielen, als im berufsförmig organisierten Arbeitsmarkt. Auch wenn sich die Figurationen der Ankunftsarbeit stark von den Überzeugungen zur Arbeits- und Berufswelt in Deutschland unterscheiden und deren sozioökonomische Vorteile weitgehen unberücksichtigt lassen, scheinen sie für Migrierte attraktiv zu sein, weil sie leichtzugängliche Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Es handelt sich dabei v. a. um Arbeitsbereiche, in denen Migrant:innen nicht nur einen wesentlichen Anteil der Beschäftigten ausmachen, sondern in denen sie auch Personalverantwortung tragen und die Arbeitskultur und Arbeitsorganisation mitprägen. Sie können als Figuration mit spezifischen sozial-ökonomischen Praktiken und einer besonderen Eigenlogik verstanden werden, die entlang von Herkunftsstrukturen und -kulturen segregiert sind.
Fragestellung
Wie Ankunftsarbeit aus Sicht der Migrierten subjektiv wahrgenommen und gedeutet wird, ist weitestgehend unbekannt. Deshalb wurde mit dieser explorativ angelegten Studie der Fokus auf die subjektive Perspektive der in Ankunftsarbeit beschäftigten Migrierten gerichtet, um deren migrantisch-subjektive Perspektive auf Arbeit und Beruf in Deutschland ins Zentrum zu rücken. Am Bespiel der Arbeitsfelder Gastronomie, Reinigung und Pflege ging die Studie zum einen der Frage nach, wie migrierte Beschäftigte Ankunftsarbeit deuten und welche Strukturen es ihnen erleichtern in diesem Bereich Arbeit zu finden und zu behalten. Zum anderen wurde der Frage nachgegangen, welche Kompetenzen Migrierte in der Ankunftsarbeit erwerben und welche Vorstellungen sie hinsichtlich beruflicher Qualifizierung und Teilhabe beschreiben.
Untersuchungsmethoden
Untersucht wurden Beschäftigungssituationen in den Bereichen Hotel- und Gastronomie, Gebäudereinigung sowie Pflege. Vor dem Hintergrund einer explorativen Branchenrecherche wurden migrantisch geprägte Betriebe in der Region Kassel identifiziert sowie 14 Experteninterviews mit Entrepreneuren und Schlüsselpersonen der Branche geführt. Anschließend wurden 31 Beschäftigte in problemzentrierten, offenen Interviews befragt, die a) selbst migriert sind, b) in Ankunftsarbeit tätig sind und c) bislang keine Arbeitsstelle innehatten, die im berufsfachlich organisierten Arbeitsmarkt angesiedelt gewesen wäre. Die Interviewdaten zur Migrationsbiografie, Erwerbsbiografie sowie zu Vorstellungen zu Arbeit und Ausbildung wurden fallspezifisch analysiert. Die entsprechenden Einzelfallanalysen wurden durch eine Auswertung der Daten mit Rückgriff auf die Situationsanalyse ergänzt, mittels derer für jeden Einzelfall Situation-Maps erstellt wurden. Anschließend folgte ein horizontaler Fallvergleich.
Darstellung der Ergebnisse
Im Ergebnis wurden fünf Kategorien sozialer Repräsentationen von Ankunftsarbeit identifiziert, nämlich als Ort des Einstiegs, des Umstiegs, des Aufstiegs und des Ausstiegs sowie als Ort des Bleibens. Es wurde deutlich, dass Ankunftsarbeit zwar als einfach zugängliche Beschäftigungsmöglichkeit attraktiv ist, dass die Erwerbsarbeit im Rahmen einer qualifizierten Tätigkeit allerdings als sozial höherwertig und erstrebenswert angesehen wird. Ankunftsarbeit wird überwiegend als eine Art Sprungbrett und Übergangsphase in die eigentlich angestrebte Form der Erwerbsarbeit betrachtet. Das Gelingen eines Umstiegs wird allerdings an soziale, qualifikatorische und ökonomische Bedingungen geknüpft, die als kaum erfüllbar betrachtet werden. Formale berufliche Bildung wird trotz der generellen Wertschätzung von Qualifizierung kaum als strategisches Element des Umstiegs- oder des Aufstiegs betrachtet. Genannte Gründe dafür sind Unkenntnis über Ausbildungsmöglichkeiten oder deren Unzugänglichkeit. Die Nicht-Inanspruchnahme von beruflichen Bildungsangeboten wird zudem damit begründet, dass deren Relevanz für das berufliche Handeln bezweifelt wird.