Projektbeschreibung
Kontext
Kontext des Projektes war die sich in der Digitalisierung und Globalisierung entwickelnde so genannte Share- oder Gig-Economy. Digitale Plattformen übernehmen zunehmend die Koordination von Arbeitstätigkeiten. Die „Plattformisierung“ erfasst die verschiedensten Arbeitsbereiche von Crowdworking im engeren Sinn bis hin zu analogen Dienstleistungen wie haushaltsnahe und personenbezogene Dienste, Fahrdienste und Lieferservices. Obwohl sich die meisten Plattformen selbst lediglich als vermittelnde „Marktplätze“ für Arbeitskräfte beschreiben, die Beschäftigten als vertraglich selbstständig arbeitend beschrieben werden und damit selbst die Risiken und die Verantwortung für ihre Tätigkeit tragen, nehmen Plattformen häufig eine strukturierende Rolle ein. Sie koordinieren und organisieren die Beschäftigten wie Arbeitgeber.
Fragestellung
Wie (1), mit welchen Auswirkungen für die digital Beschäftigten (2) und mit welchen rechtlichen Konsequenzen (3) arbeiten Plattformen?
(1) Um die erste Frage zu beantworten, analysierten wir die Plattformsoftware hinsichtlich der Funktions- und Steuerungslogik. Wir wollten herausfinden, wo und von wem Leitlinien für die Algorithmen festgelegt und kontrolliert werden und inwiefern die Algorithmen darauf angelegt sind „dazuzulernen“ bzw. auf bestimmte Situationen automatisiert zu reagieren.
(2) Aus Beschäftigtenperspektive interessierte uns insbesondere, wie die Beschäftigten mit algorithmischem Management und der Kontrolle durch Reputationsmechanismen umgehen und wie sie das algorithmische Management und die Kontrolle durch Reputationsmechanismen erleben.
(3) Davon ausgehend stellte sich die Frage, welche Konsequenzen für arbeits- und sozialrechtliche Regulierungen und Begriffssysteme gezogen werden müssen, damit „gute Arbeit“ im Internet möglich wird.
Untersuchungsmethoden
Auch methodisch gingen wir in drei Schritten vor:
1) Zunächst wollten wir die Logik des algorithmischen Managements besser verstehen und dafür typische Management-Software für den Bereich der Lieferdienstleistungen untersuchen.
2) Um einen Einblick in die Perspektiven der Beschäftigten zu erhalten, führten wir leitfadengestützte Interviews mit Plattformbeschäftigten und Plattformbetreiber*innen. Zudem führten wir teilnehmende Beobachtungen durch eigene Tätigkeit und nicht-teilnehmende Beobachtungen durch die Begleitung von Fahrer*innen in ihrem Arbeitsalltag durch.
3) Daneben erforschten wir systematisch die Rechtswirklichkeit sowie die soziale Praxis des Rechts im Umgang mit den neuen digitalen Beschäftigungsformen.
Darstellung der Ergebnisse
Schlussfolgerungen:
• Es gibt eine große Diskrepanz zwischen den diskursiven Strategien der Plattformen und dem tatsächlichen Funktionieren des App-basierten Managements.
• Die versprochene Autonomie besteht nur, soweit Rider die von den Plattformen festgelegten (intransparenten) Leistungsstandards erfüllen.
• Große Mengen an gesammelten Data werden verwendet, um die Kontroll- und Disziplinarmaßnahmen voranzutreiben.
• Informationsasymmetrien verstärken Ungleichgewichte zwischen Rider und Plattform am digitalen Arbeitsplatz.
• App-basiertes Management verstärkt Unsicherheit und Instabilität der Arbeit.
• Die Ausnutzung von Schwachstellen im System eröffnet App-Beschäftigten Räume für kollektiven Widerstand.
• Der Zugang zu Informationen wird zu einem neuen Feld der Auseinandersetzung.
• Plötzliche, einseitige und schlecht kommunizierte Veränderungen können kollektive Maßnahmen auslösen.
• Die Beschäftigten der digitalen Plattformen haben kaum Einfluss auf die Arbeitsplatztechnologien.
• Rider auf den untersuchten Essenlieferplattformen sind im Rechtssinne Arbeitnehmer*innen.