Projektbeschreibung
Kontext
Arbeitnehmer*innen bewegen sich in Betrieben immer häufiger in paradoxen Handlungswelten: auf einer Seite stehen zunehmende Partizipation, Informationszugang und Entscheidungsmöglichkeiten, auf der anderen Seite Überwachung, Kontrolle und (Fremd-)Steuerung. Dabei geschieht die Veränderung in Betrieben derzeit in so erheblicher Geschwindigkeit, dass sich Arbeitnehmer*innen und Betriebsrät*innen kaum mit diesen Konfliktfeldern beschäftigen können. Trotz umfangreicher Beiträge zu den einzelnen Teilbereichen wurde bisher kaum empirisch erforscht, was die Existenz paradoxer Szenarien in der digitalen Arbeitswelt für die betriebliche Mitbestimmung bedeutet.
Fragestellung
Um die Mitbestimmung auch im Zeitalter der Digitalisierung nachhaltig zu verankern, wurde analysiert, wie die Mitbestimmung mit den scheinbar unvereinbaren Anforderungen der Digitalisierung aktiv und sinnvoll umgehen kann. Im Forschungsprojekt wurden daher folgende Fragen beantwortet: Wie schlagen sich die Widersprüchlichkeiten der Digitalisierung in den Praktiken der Sozialpartnerschaft zwischen Partizipation und Entmündigung nieder? Welche Handlungsstrategien ergeben sich hieraus für die Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt?
Untersuchungsmethoden
Empirisch untersuchte das Projekt die Forschungsfrage auf zwei Ebenen. Die erste Ebene bildete eine Diskursanalyse, bei der die Widersprüchlichkeiten im gesellschaftspolitischen Diskurs zur Digitalisierung identifiziert wurden. Es wurden die Sichtweisen von Gewerkschaften, Arbeitgebervertreter*innen, Behörden, sowie weiteren Akteur*innen untersucht. Die zweite Ebene bildeten vergleichende Betriebsfallstudien in sieben Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Es fanden qualitative Interviews mit Betriebsrät*innen, Beschäftigten sowie Führungskräften statt. Anhand der Multiple-Case-Methode wurden die Fälle untereinander verglichen und theoretische Konzepte zum Umgang mit Paradoxien in der digitalen Arbeitswelt entwickelt. Aus der Verbindung der beiden Untersuchungsebenen wurden abschließend Ansatzpunkte für den Umgang mit Paradoxien seitens der Mitbestimmung ab.
Darstellung der Ergebnisse
Das Projekt identifizierte Widersprüchlichkeiten der Digitalisierung, die direkt die Beschäftigten betreffen und gelöst werden müssen. Die Analyse zeigte, dass innerhalb der Sozialpartnerschaft diskursiv Strategien erschlossen werden, um Widersprüchlichkeiten auf kollektiver Ebene zu lösen und die Verantwortung nicht auf individuelle Beschäftige zu übertragen. Auf betrieblicher Ebene konnten drei Entwicklungsstufen eines aktiven Umgangs mit Widersprüchlichkeiten identifiziert werden: Weder-noch-Strategien (keine Einführung digitaler Technologien), Entweder-oder-Strategien (geduldete Einführung und Auflösung durch Individuen) oder Sowohl-als-auch-Strategien (geregelte Einführung, z.T. mit Handlungshilfen für Individuen zur Auflösung). Weiter zeigt das Projekt, wie sich die Sozialpartnerschaft zu einer problem- und beteiligungsorientierten Mitbestimmung 4.0 entwickelt. Einen eigenen Beitrag zur diskursiven Sinnerschließung der Digitalisierung leistete das Projekt durch das Herausgeberband „Arbeit in der Data Society – Zukunftsvisionen für Mitbestimmung und Personalmanagement“.