Projektbeschreibung
Kontext
Im Kontext der Digitalisierung ist die industrielle Facharbeit einem dynamischen Wandel ausgesetzt, wobei sich Arbeitsanforderungen und Tätigkeitsbereiche kontinuierlich verändern. Für die Chemieindustrie gilt insofern eine besondere Situation, dass sie aufgrund des umfassenden Automatisierungs- und Vernetzungsgrades bereits heute in einem hohen Maß digitalisiert ist. Der technologische Wandel verlief und verläuft in der Chemieindustrie graduell und damit evolutionär, d. h. neue innovative Technologien knüpfen schrittweise an bestehende betriebliche Entwicklungen an. Zukünftige Qualifikationsanforderungen sind derzeit weitgehend unbestimmt, was die Branche vor die Herausforderung stellt, im Rahmen der Gestaltung des digitalen Wandels mit großen Unsicherheiten umzugehen.
Fragestellung
Ausgewählte Fragestellungen auf drei analytischen Untersuchungsebenen (ausführliche Darstellung siehe Study)
Branche (Makroebene)
- Welche Auswirkungen der Digitalisierung zeigen sich in der Chemieindustrie?
- Inwiefern verändert sich die Produktionsarbeit in der Branche?
Betriebe (Mesoebene)
- Welche Strategien entwickeln Betriebe, um den Anforderungen an digitale Arbeitsbedingungen heute und in Zukunft gerecht werden zu können?
- Welche Handlungsspielräume haben Betriebsräte im Hinblick auf digitalisierte Arbeit und Qualifizierung und welche nutzen sie?
- Wie wird die Kooperation zwischen Bildungsanbietern und Chemieunternehmen im Industriepark gestaltet, um der Herausforderung der Digitalisierung zu begegnen?
Fach- und Führungskräfte (Mikroebene)
- Mit welchen Lernanforderungen sehen sich die Beschäftigten in der Produktion konfrontiert?
- Wo liegen jenseits institutionalisierter Lernformen informelle und implizite Lern- und damit verbundene Entwicklungsmöglichkeiten?
Untersuchungsmethoden
Dem Projekt liegt ein qualitatives Untersuchungsdesign zugrunde. Das Vorgehen war zweistufig angelegt.
In einem ersten Schritt erfolgte eine explorative Expertenbefragung mit sieben Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Forschung sowie der Chemie-Sozialpartner. Im Anschluss daran wurden in zwei ausgewählten Industrieparks qualitative Betriebsfallstudien durchgeführt. Untersucht wurden pro Park zwei Chemieunternehmen und der jeweils standortansässige Bildungsanbieter. Die Datenbasis der Betriebsfallstudien bilden insgesamt 35 Interviews. In den vier Fallunternehmen wurden zehn Interviews mit strategischen Führungskräften und 20 Interviews mit Beschäftigten in der Produktion (operative Führungskräfte und Fachkräfte) realisiert. Bei zwei Bildungsanbietern, die in den Industrieparks im Rahmen der Aus- und Weiterbildung mit den Unternehmen kooperieren, wurden insgesamt fünf Interviews mit Verantwortlichen im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung geführt.
Darstellung der Ergebnisse
In der chemischen Produktion sind Digitalisierungsprozesse durch einen evolutionären Verlauf gekennzeichnet. In den untersuchten Chemieunternehmen ist nicht erkennbar, dass die betrieblichen Transformationsprozesse von einer expliziten Digitalisierungsstrategie flankiert werden. Zwischen den Unternehmen und auch innerhalb der Betriebe zeigt sich ein heterogener Digitalisierungsgrad. In der Chemieindustrie ist die qualifizierte Facharbeit nach wie vor elementar: Berufliches Erfahrungs- und Prozesswissen behalten einen hohen Stellenwert in der digitalisierten Produktionsarbeit. Die Befragung der Beschäftigten in der Produktion belegt zudem eine hohe Bedeutung kollektiver Lernformen im Umgang mit digitalen Systemen. Aufgrund der Verbundorganisation in den Industrieparks besteht eine traditionell gewachsene Kooperation zwischen Bildungsanbietern und Chemieunternehmen. Eine auf Dauer angelegte gemeinsame Entwicklung und Implementierung von Digitalisierungs- und Qualifizierungsstrategien ist jedoch nicht erkennbar. Die Handlungsspielräume der betrieblichen Mitbestimmung sind mit Blick auf die Gestaltung des digitalen Wandels begrenzt.