Projektbeschreibung
Kontext
Mit der Digitalisierung der Produktionssteuerung verändern sich Produktions- und Arbeitsprozesse in Industrieunternehmen in grundlegender Form. Diese Veränderungen stellen Betriebsräte als Akteure betrieblicher Interessenvertretung vor neue Herausforderungen. Es gilt, zumindest negative Konsequenzen für die Mitarbeitenden abzuwenden. Gleichzeitig bieten Digitalisierungsprojekte Spielräume für eine proaktive Gestaltung Guter Arbeit durch die Betriebsräte, denn solche Projekte sind unterhalb der Managemententscheidung „zu digitalisieren“ in ihrer konkreten Ausprägung oft unterdeterminiert. Vor diesem Hintergrund sind die Auswirkungen der digitalen Steuerungstechniken in der „Industrie 4.0“ zunächst offen. Ihre Veränderung hängt von den betrieblichen Macht- und Kontrollverhältnissen und -konstellationen der Mitbestimmung ab, und von der Frage, ob und wie Digitalisierungsprozesse (auch) zur Veränderung dieser Verhältnisse genutzt werden.
Fragestellung
Das Projekt ging der Frage nach, wie sich die Implementierung digitaler Prozesssteuerung auf Macht- und Mitbestimmungsverhältnisse in industriellen Organisationen auswirkt. Ziel war es, durch die Beantwortung dieser Frage einerseits einen Analyserahmen und andererseits eine (auf diesem basierende) arbeitspolitische Handlungsgrundlage für den Umgang mit der digitalisierten Industrie auszuarbeiten. Dabei kann unter anderem durch den Blick in die Vergangenheit der gewerkschaftlichen und betrieblichen Technikgestaltung der Blick für die Potentiale der Gegenwart geschärft werden. In dieser Hinsicht war das Ziel, die unternehmenspolitische Kontingenz von digitaler Prozesssteuerung aufzuzeigen.
Untersuchungsmethoden
Im Projekt wurde sowohl empirisch als auch theoretisch vorgegangen. Zunächst wurde die Entwicklung gewerkschaftlicher und betrieblicher Technikgestaltung rekonstruiert. Dann wurde empirisch untersucht, inwiefern diese in aktuellen, von den Visionen um „Industrie 4.0“ getragenen Digitalisierungsprozessen zum Tragen kommen können und betriebliche Mitbestimmungspraxis unterstützen können. Dafür wurden Digitalisierungsprozesse in vier Fallstudien von Betriebsräten in verschiedenen produzierenden Unternehmen der „Industrie 4.0“ über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr in ihrem Umgang mit den betrieblichen Digitalisierungsprozessen begleitet. Regelmäßige Interviews mit den verantwortlichen Betriebsräten wurden um Interviews mit anderen relevanten Akteuren aus Produktion und Management ergänzt. So wurde erhoben, unter welchen Bedingungen Betriebsräte die Implementierung digitaler Prozesssteuerung als eine Chance für die betriebliche Mitbestimmung (nicht) nutzen können.
Darstellung der Ergebnisse
Hinsichtlich der Hauptfrage, wie sich Digitalisierungsprozesse in der Produktion auf die Machtposition von Betriebsräten auswirken, zeigt sich, dass Betriebsräte grundsätzlich über gute Gestaltungsmittel verfügen. Neben rechtlichen und organisatorischen Ressourcen spielen vor allem Wissen, Austauschnetzwerke sowie die Nutzung von Digitalisierungs-Narrativen eine wichtige Rolle.
Die Ergebnisse zeigen, dass es dabei neben den Ressourcen von weiteren Faktoren abhängt, ob Digitalisierung als ein Gestaltungsfeld erkannt wird. Da Digitalisierung innerbetrieblich mit verschiedensten Themen verknüpft werden kann (z.B. Arbeitsort, Qualifikation) erweist es sich für Betriebsräte als zentral, Digitalisierung mit für die Mitarbeitenden relevanten Themen der Interessenvertretung zu verbinden und zu besetzen.
Die Aufarbeitung der Literatur zu gewerkschaftlicher und betrieblicher Technikgestaltung zeigt, dass (betriebliche) Mitbestimmung hier auf keine lange Erfahrung zurückgreifen kann. Dennoch finden drei der vier untersuchten Betriebsratsgremien Wege, Digitalisierung so zu bearbeiten, dass die Machtposition des Betriebsrats erhalten bleibt, in einem dieser Fälle gar verbessert werden kann.