Projektbeschreibung
Kontext
Die 1970er Jahre waren eine Zeit der ökonomischen Krise, gekennzeichnet durch sinkende Inlandsnachfrage und Beschäftigung bei gleichbleibender Inflation. Die Industrie reagierte mit Rationalisierungen; die Arbeiterschaft mit Streiks. In dieser Situation initiierte das Bundesministerium für Forschung und Technologie gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit 1974 das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens“ (HdA). Wettbewerbsfähigkeit sollte gestärkt, zwischen unterschiedlichen Interessengruppen vermittelt und zugleich in den Unternehmen Arbeitsbedingungen, Mitbestimmungsmöglichkeiten und Produktionsformen verändert werden. Diese Vielfalt des bis 1989 laufen Förderprogramms bildet den Ausgangspunkt für die zeithistorische Forschung zur Arbeitswelt in einer Phase von Massenarbeitslosigkeit und strukturellem Wandel.
Fragestellung
Das Projekt erschließt, wie die unterschiedlichen Akteure und (sozialen) Gruppen im Unternehmen an den Projekten im Rahmen des HdA-Programmes beteiligt waren und inwiefern sich ihre Wahrnehmungen, Erwartungen und Handlungsmöglichkeiten gestalteten. Drei übergreifende Fragestellungen leiten die Untersuchung:
1.) Schuf die ökonomische Krise der 1970er Jahre Möglichkeiten für die Entwicklung der Mitbestimmung auf Unternehmensebene?
2.) Welche Konflikte zwischen den sozialen Akteursgruppen wurden durch die Projektarbeit der Wissenschaftler*innen im Betrieb aufgerufen, verstärkt oder konnten gelöst werden?
3.) Was beförderte die Entscheidung über Kooperation oder Konflikt und damit die innerbetriebliche Akzeptanz von Reformvorhaben?
Untersuchungsmethoden
Das Projekt fokussiert unterschiedliche Akteursgruppen auf Betriebsebene des Unternehmens. Geprüft wird die Auswirkung von HdA auf das Interessenhandeln der Beteiligten, aber auch auf das organisational-funktionale Rollenverhalten innerhalb der Betriebshierarchie. Mit einer intersektionalen Perspektivierung soll die meist allein auf die Differenzkategorie Klasse ausgerichtete industriesoziologische HdA-Forschung erweitert werden. So soll erfasst werden, wie sich unterschiedliche soziale Kategorien, wie etwa Geschlecht, Alter oder Herkunft, miteinander verschränken und auf Akteure und ihre Selbstverortung einwirken. Innerbetriebliche Spannungen und Binnenkonflikte sowie ihre Auswirkungen auf Rationalisierungsmaßnahmen und Mitbestimmungsprozesse können so sichtbar gemacht werden.
Darstellung der Ergebnisse
HdA stärkte die Position der Betriebsräte und Vertrauensleute im Unternehmen. Die Projekte schufen neue Wege der Interessenverfolgung und qualifizierten die Beteiligten zu spezifischem Interessenhandeln. Während die Projekt- und Arbeitsgruppen des Humanisierungsprojektes betriebliche Randgruppen einbanden, gelang dies innerhalb der etablierten Strukturen der Interessenvertretung nur eingeschränkt.
Die intersektionale Perspektive ergab, dass weibliche und migrantische Belegschaftsteile wenig von der Projektarbeit profitierten, auch aufgrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Bei den Beteiligungsverfahren zeigt sich eine Diskrepanz zwischen Erwartungen der Wissenschaftler*innen und Beschäftigteninteressen. Binnenkonflikten wirkten hemmend auf Projektziele.