Projektbeschreibung
Kontext
Die Legitimität des kapitalistischen Wirtschaftssystems hängt nicht nur von „funktionierenden“ ökonomischen (Tausch-)Prinzipien, sondern auch von dessen Fähigkeit zur (Re-) Produktion nicht-marktlicher Sozialstrukturen, Institutionen und Normen ab. Besonders seit der „Großen Krise“ 2008f. und angesichts wachsender Ungleichheit stellt sich die Legitimitätsfrage heute in neuer Schärfe – und damit auch die Frage nach den subjektiven Grundlagen der Legitimationsprozesse im gegenwärtigen Kapitalismus. Ein wichtiger Ort für die Legitimitäts(re)produktion sind Organisationen der Erwerbsarbeit. Die Beschäftigten - hier insbesondere die unter 35-Jährigen - und deren Ansprüchen an die betriebliche Ordnung ist also Aufmerksamkeit zu widmen: Genügen die Ordnungen noch den Legitimitätsansprüchen der in ihnen Arbeitenden? Welche Rolle spielt für die Jüngeren die Beteiligung an Entscheidungsprozessen – also die Input-Legitimität des Systems?
Fragestellung
Welche Erwartungen formulieren jüngere Beschäftigte an die Arbeit und welche Zukunftsperspektiven und Lebensplanungen verfolgen sie vor dem Hintergrund bisheriger Erwerbserfahrungen? Welche Beteiligungsansprüche an die Institutionen der Erwerbsarbeit haben jüngere Erwerbstätige und wie artikulieren sich diese? Lassen sich spezifische Muster interessenpolitischer Orientierungen jüngerer Beschäftigter identifizieren und welche interessenpolitischen Durchsetzungsstrategien verfolgen sie? Gelten die Institutionen und Verfahren der betrieblichen Mitbestimmung bei ihnen als legitim oder – und wenn ja: mit welchen Begründungen – stehen sie in der Kritik?
Untersuchungsmethoden
Für die hier vorliegende Sonderauswertung haben wir aus den 207 Interviews, die wir im Rahmen der „Hauptstudie“ geführt haben, diejenigen nochmals ausgewertet, die mit Beschäftigten geführt wurden, die zum Befragungszeitpunkt jünger als 35 Jahre (U35) waren. Konzentriert haben wir uns hierbei auf die 25-34-Jährigen, da in dieser Altersgruppe die berufliche Orientierungsphase in der Regel abgeschlossen ist und die Befragten bereits über eine längere Erfahrung in und mit Erwerbsarbeit verfügen. Insgesamt wurden 34 Interviewtranskripte mit Hilfe von Software zur qualitativen Datenanalyse für die gesonderte Auswertung teils neu codiert, inhaltsanalytisch ausgewertet. Anders als in der Hauptstudie ging es in der Auswertungs- und Interpretationsarbeit bei den U35 vor allem darum, die Spezifika und Besonderheiten in den Anspruchsmustern und Interessenorientierungen der jüngeren Beschäftigten herauszuarbeiten.
Darstellung der Ergebnisse
Es zeigt sich, dass für eine beachtliche Zahl der interviewten U35 ein brüchiger und instabiler Übergang in das Erwerbsleben zu einem „normalen“ Erfahrungshintergrund geworden ist. Diese Erfahrungen werden von den befragten U35 nur selten in Kategorien von Ungerechtigkeit erzählt und kritisiert, sondern als Normalität hingenommen. Die damit einhergehenden Unsicherheiten werden durch beachtliche individuelle Anpassungsleistungen bewältigt. In den auf Erwerbsarbeit im engeren Sinne bezogenen Ansprüchen lassen sich keine Kohorteneffekte erkennen. Die formulierten Anspruchsmuster unterscheiden sich zudem stärker zwischen verschiedenen Tätigkeitsbereichen als zwischen den Altersgruppen. Sichtbar werden dennoch lebensphasenspezifische Alterseffekte. Was Beteiligungsansprüche anbetrifft, zeigen die U35 entgegen geläufigen Zuschreibungen keine stärkeren oder qualitativ anderen Anspruchsmuster. Korrespondierend mit einer Orientierung an einem (sozial-)partnerschaftlichen Produktivismus, werden betriebliche Interessenvertretungen und Gewerkschaften von den U35 als notwendige Gegenmacht weitestgehend anerkannt und grundsätzlich positiv bewertet.