Forschungsprojekt: Politikmanagement im Ungleichheitsdiskurs

Wahrnehmung und Steuerung politischer Diskurse

Projektziel

Politikmanagement und politische Entscheidungsspielräume beruhen zu einem gewichtigen Teil auf der Deutungshoheit über politische Diskurse. Das Projekt geht diesem Zusammenhang am Beispiel der Debatte über die soziale Ungleichheit im Kontext der europäischen Banken- und Finanzkrise nach: an der Schnittstelle von vergleichender Regierungsforschung, politischer Kommunikation und politischer Sprache.

Veröffentlichungen

Smith Ochoa, Christopher und Taylan Yildiz, 2019. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung im Ungleichheitsdiskurs, Working Paper Forschungsförderung 121, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 67 Seiten.

Smith Ochoa, Christopher, Maximilian Hugendubel und Simon Gehlhar, 2019. Umstrittene Faktenlage. Eine Diskursanalyse der öffentlichen Diskussion um sozioökonomische Ungleichheit in Deutschland, Working Paper Forschungsförderung 131, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 73 Seiten.

Smith Ochoa, Christopher, 2019. Trivializing inequality by narrating facts: a discourse analysis of contending storylines in Germany, Journal Critical Policy Studies, S. 1.

Bullik, Andreas und Gunnar Hinck, 2018(03), 2018. „Mitbestimmung ist ein Garant für Stabilität“, Magazin Mitbestimmung, ,S. 30-33.

Projektbeschreibung

Kontext

Soziale Ungleichheit ist eines der drängendsten Probleme zeitgenössischer Demokratien. Mit der globalen Banken- und Finanzkrise, die im Jahr 2008 ihren Ausgang nahm, wurden sie zunehmend mit ungleichheitsbezogenen Problematisierungen konfrontiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass durch die Intensivierung der öffentlichen Debatte über Zustand, Ursachen und Folgen von sozialer Ungleichheit nicht nur die Umstrittenheit des Phänomens soziale Ungleichheit gestiegen ist, sondern der Ungleichheitsdiskurs auch von neuen Deutungsrahmen strukturiert wird. Das Projekt hat den Versuch unternommen, diese veränderten Bedingungen des Ungleichheitsdiskurses in Deutschland aufzuspüren und seinen kommunikativen Kontext neu zu bestimmen.

Fragestellung

Wie wird in Deutschland über sozioökonomische Ungleichheit gesprochen?

Wie hat sich der sozioökonomische Ungleichheitsdiskurs im Zuge der Finanzkrise verändert?

Welche Erzählungen und Akteurskonstellationen prägen den Ungleichheitsdiskurs?

Welche Deutungen, Bilder und Metaphern werden aufgegriffen, wenn über Ungleichheit gesprochen wird?

Wie wirkt der Ungleichheitsdiskurs auf die Denk- und Handlungsmöglichkeiten der beteiligten Akteure zurück?

Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen einem „lauten“ Ungleichheitsdiskurs in der Öffentlichkeit und einer vergleichsweise stummen Gleichheitspolitik der politischen Akteure erklären?

Welche Unterschiede lassen sich in Bezug auf den Umgang mit der Ungleichheitsfrage in den Diskursräumen des Politikmanagements erkennen?

Untersuchungsmethoden

Die Studie wurde an der Schnittstelle von Regierungsforschung und politischer Diskursforschung durchgeführt. Sie ist in zwei Teile gegliedert. Zunächst wurde im Rahmen eines triangulativen Forschungsdesigns ein korpusanalytischer Datensatz erstellt. Das an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen angesiedelte PolMine-Projekt (http://polmine.sowi.uni-due.de/polmine/) hat den deutschen Ungleichheitsdiskurs seit 2008 erstmals effizient zu vermessen erlaubt und die Schlüsselmomente des Diskursverlaufs identifizierbar gemacht. Durch Interviews mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern ebenso wie mit Expertinnen und Experten des Ungleichheitsdiskurses wurden diese Momente dann nach den diskursstrukturierenden Storylines und Koalitionen abgefragt. Der zweite Teil hat sich, um den Sachverhalt präziser erfassen zu können, mit den Armuts- und Reichtumsberichten der Bundesregierung befasst und ihre interne Forschungslogik mittels qualitativer rekonstruiert.

Darstellung der Ergebnisse

Die Analyse hat drei Storylines identifiziert. Das sind a) eine liberal-konservative Erzählung, in deren Mittelpunkt das Leistungsversprechen moderner Gesellschaften steht, b) die Erzählung der Kompromissgesellschaft, mithilfe derer die negativen Auswirkungen sozioökonomischer Ungleichheit adressierbar werden, und c) die Erzählung der Abstiegsgesellschaft, durch die sich teilweise radikale Systemkritiken und Handlungsalternativen konstituieren. Es hat sich dabei herausgestellt, dass diese Storylines nicht nur konfrontativ verfasst sind, sondern auf narrativen Praktiken beruhen, die das Feld ihrer Schnittmengen zu verändern erlauben.

Mit der Analyse der Armuts- und Reichtumsberichte wurde die narrative Praxis näher ausgeleuchtet. Ihr zentrales Ergebnis ist, dass die politische Kommunikation über sozioökonomische Ungleichheit einen wiederkehrenden Politisierungseffekt erlebt, der demokratietheoretisch zwar zu begrüßen ist, dessen Effekte aber aufgrund der Dominanz statistischer Methoden die subjektive Seite der Ungleichheitserfahrung nicht einbeziehen kann und die Kontroverse sich überwiegend in unabschließbaren Dateninterpretationsstreitigkeiten äußert.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte
NRW School of Governance Universität Duisburg-Essen
Institut für Politikwissenschaft
krkorte@uni-due.de

Dr. Taylan Yildiz
Universität Duisburg Essen Campus Duisburg
LF 335
taylan.yildiz@uni-due.de

Bearbeitung

Christiopher Smith
NRW School of Governance Institut für Politikwisssenschaft
christopher.smith@uni-due.de

Kontakt

Dieter Pougin
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Dieter-Pougin@boeckler.de

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