Projektbeschreibung
Kontext
Die Problematik Arbeitsloser ohne Leistungsbezug ist nicht völlig neu, hat sich aber mit den Hartz-Reformen verschärft. Sie ergab sich vor "Hartz IV", wenn Personen aufgrund diskontinuierlicher Erwerbsbiografien keine Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung aufbauen konnten und sie mangels Bedürftigkeit auch keine Arbeitslosen- oder Sozialhilfe erhielten. Mit den Hartz-Reformen gingen der Wegfall der Arbeitslosenhilfe, verengte Zugangsbedingungen für Versicherungsleistungen und die vollständige Anrechnung von Partnereinkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung für Arbeitslosengeld II einher. Dies hatte zur Folge, dass besonders für Personen in Paar-Haushalten (und vor allem für Frauen) der Zugang zu Sozialleistungen und sozialer Absicherung erschwert wurde. Zudem entstanden zwischen SGB II und SGB III neue Schnittstellenprobleme. Die Zuordnung zu den Rechtskreisen variiert je nach materieller Lage des Haushalts, insbesondere dem Erwerbsstatus des Partners/der Partnerin.
Fragestellung
Zunächst zielte das Projekt auf eine systematische Aufarbeitung der komplexen Hintergründe der Entstehung von Arbeitslosigkeit ohne Leistungsanspruch: Welche Varianten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsanspruch gibt es? Welche Rolle spielen verschiedene Einkommensarten einschließlich Sozialtransfers, Rentenansprüchen sowie Vermögen aus selbst genutztem Wohnraum für die sozialrechtliche Nichthilfebedürftigkeit nach SGB II? Auf dieser Basis wurde das Phänomen Nichtleistungsbezug in seiner Vielfalt und Dynamik unter Einbezug der privaten Haushaltskontexte untersucht: Wie häufig und welcher Art sind Zu- und Abgänge in / aus dem Status Nichtleistungsbezug? Wohin finden diese Statusübergänge statt und welche Einflussgrößen gibt es? Gibt es typische Erwerbsverlaufsmuster? Wie wird der Status und seine Entstehung sowie die Aktivierungspraxis der Bundesagentur von den Personen subjektiv erlebt und welche individuellen Handlungsstrategien finden sich?
Untersuchungsmethoden
Das Projekt verfolgte ein mixed-methods design quantitativer und qualitativer Methoden: 1. Auf Basis des Haushalts-Panels PASS des IAB Nürnberg wurden komplexe, detaillierte Quer- und Längsschnittanalysen in der Gruppe der Nichtleistungsbeziehenden in den Befragungswellen 2006 bis 2013 und ihres Haushaltskontexts durchgeführt (gepoolte Querschnittanalysen; deskriptive Sequenzanalysen der Erwerbsverläufe; multivariate Panelanalysen sowie Ereignisanalysen der Statusübergänge). Insgesamt wurden 16.335 Personen einbezogen. 2. Biografische, problemzentrierte Interviews mit 19 Nichtleistungsbeziehenden (NLB) zielten auf ein tieferes Verständnis der individuellen Hintergründe des Nichtleistungsbezugs, der Erwerbsverläufe und (Paar-) Konstellationen im Haushaltskontext und der individuellen Handlungsstrategien. Dabei diente die Typisierung von NLB auf Basis der quantitativen und der institutionellen Analysen als Grundlage für die Samplebildung. Ergänzend wurden ExpertInnengespräche geführt.
Darstellung der Ergebnisse
Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug kommt relativ häufig vor, insbesondere bei Personen mit diskontinuierlichen Erwerbsverläufen, nach Familienphasen, langjähriger Berufstätigkeit und anschließender andauernder Langzeitarbeitslosigkeit oder nach der Ausbildung an der Schwelle zum Berufseinstieg. Die Einkommenssituation der betroffenen Haushalte ist (aufgrund häufiger Vollzeit beschäftigter PartnerInnen) etwas besser als bei anderen Arbeitslosen, doch die mittleren Einkommen und Ersparnisse sind niedrig. Übergänge in Erwerbstätigkeit gelingen relativ selten (Männer: 25%, Frauen 15%), die Dauer des Verbleibs – besonders für Frauen und Ältere – ist relativ lang. Arbeitslose ohne Leistungsanspruch sind i.A. stark erwerbsorientiert, erfahren jedoch relativ wenig Unterstützung, Aufklärung und Förderung seitens der Bundesagentur für Arbeit. Sie fühlen sich oft benachteiligt gegenüber Leistungsbeziehenden. Als belastend wird die prekäre finanzielle Situation und Abhängigkeit vom Partner bzw. der Partnerin erlebt. Teils werden vermutete Leistungsansprüche auf ALG II aus Angst vor Stigmatisierung und staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre nicht realisiert.