Projektbeschreibung
Kontext
Die Begriffe des "Bürgers am Arbeitsplatz" oder des "Arbeitsbürgers" haben sich in dem Maße entwickelt, wie die Demokratie als Staatsform entstanden ist und Maßstäbe der Demokratie kritisch auf die autoritäre Organisationsform Betrieb und Unternehmen bezogen werden. Die Arbeitnehmerkategorie wird von einer großen Zahl und Diversität von "Arbeits"-formen und -beziehungen überlagert und verdrängt. Gleichzeitig steigen die außererwerblichen Anforderungen der Menschen mit "Bürgerrecht" an die betrieblichen Arbeitszeitregelungen, Sozialsysteme und die gesellschaftlichen Effekte des Unternehmens - "Vereinbarkeit", "work-life-balance" stehen auf der Tagesordnung. Müssen unter diesen Bedingungen nicht Bürger/innen im Betrieb nicht mehr "Stimme" ("das Sagen") haben, als die arbeitsrechtliche Schimäre der "persönlichen Abhängigkeit" ihr zugesteht? Grund genug, die Balance zwischen Demokratie und Arbeit an der Schnittstelle Betrieb neu auszuloten.
Fragestellung
Untersucht wird, zu welcher Zeit, in welchen Kontexten, mit welchen Erwägungen und welchen Folgen die Bürgerrolle auf den Betrieb als vorrangigen Ort gesellschaftlicher Erwerbsarbeit bezogen worden ist und bezogen wird. Mit welchen Gründen werden heute bürgerschaftliche Kriterien für die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse gefordert? Kollidiert eine solche Forderung mit den bestehenden Eigentumsverhältnissen? Oder kommt sie teilweise sogar neuartigen ökonomischen Anforderungen an die "Selbstständigkeit" Arbeitender entgegen? Gibt es neue Kriterien für den Interessenausgleich und -konflikt im Unternehmen, wenn den unternehmerischen Eigentums- die arbeitnehmerseitigen Bürgerrechte gegenübertreten und mit Wirksamkeit ausgestattet werden?
Untersuchungsmethoden
Angewandt wird die Methode ausgewählter Literaturanalyse. Arbeiten von Hugo Sinzheimer, T H Marshall, Bruno Trentin, anderer deutscher, britischer, französischer, italienischer, US-amerikanischer und kanadischer Provenienz sowie frühere Arbeiten des Verfassers werden auf die o.g. Fragestellungen hin ausgewertet. Die Untersuchung ist insofern explorativ, als eine flächendeckende Gesamtliteraturauswertung damit weder angestrebt noch erzielt, wohl aber vorbereitet werden konnte.
Darstellung der Ergebnisse
Die zahlenmäßig zunehmenden und teilweise hochfundierten Ausführungen in der internationalen Literatur zum "Bürger am Arbeitsplatz" bestätigen, dass diese Denkrichtung stichhaltig ist: Sie verdient, für die Zukunft ein neues Paradigma auch für ein humanisiertes Erwerbsleben zu werden. Neben den kollektiven Formen von Teilhabe und Mitbestimmung bilden individuelle Bürgerrechte am Arbeitsplatz das Standbein einer modernen Produktions- und Dienstleistungsgesellschaft. Sie schließen Meinungsäußerungsfreiheit der Menschen, ihre Freiheit der Einwirkung auf Arbeitsprozess und -produkt, ihre Mitwirkung bei Benennung von Führungspersonal im Unternehmen ein. Die Staatsbürgerrolle im Betrieb hebt nicht das Privateigentum auf. Sie findet sich aber mit der bisherigen Macht- und Rechtsasymmetrie im Arbeitsverhältnis nicht länger ab - vielmehr führt sie bei Interessenkonflikten zu einem fairen Ausgleich zwischen gleichberechtigen Staatsbürgern. Die neue Balance zwischen Demokratie und Arbeit an der Schnittstelle Betrieb wird nicht allein "von oben" (durch Gesetze und Bürokratie) verordnet, sie muss auch "von unten" (durch autonome individuelle und kollektive Aushandlung) herbeigeführt werden.