Projektbeschreibung
Kontext
Zwei Drittel aller Erwerbstätigen in Deutschland und drei Viertel aller Beschäftigten im Dienstleistungsbereich arbeiten im direkten Kontakt mit KundInnen, PatientInnen und KlientInnen. Die Analyse, Beurteilung und Gestaltung dieser Arbeit erfolgt immer noch weitgehend auf Basis von Konzepten, die für die Industrie- oder Verwaltungsarbeit entwickelt worden sind. Diese Konzepte werden den Besonderheiten der Arbeit im Kundenkontakt jedoch nicht gerecht: Hier ist der Arbeitsgegenstand kein materielles Objekt, sondern ein Mensch mit eigenen Interessen und Bedürfnissen, so dass die Interaktion in der Dienstleistungsarbeit eine zentrale Rolle spielt. Die notwendigerweise zu leistende Interaktionsarbeit findet in der herkömmlichen Arbeitsgestaltung bislang keine Berücksichtigung. Die bestehenden Grundsätze der Gestaltung menschengerechter Arbeit bedürfen daher einer kritischen Überprüfung und einer auf Interaktionsarbeit zugeschnittenen Modifikation und Weiterentwicklung.
Fragestellung
Das Forschungsprojekt ist den folgenden Fragen nachgegangen:
- In welcher Weise stellen sich bei Interaktionsarbeit besondere Anforderungen an die Arbeitsgestaltung, die in bisherigen Grundsätzen und Maßnahmen menschengerechter Arbeitsgestaltung nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden?
- Auf welche Weise müssen die herkömmlichen Gestaltungsmaßnahmen modifiziert und weiterentwickelt werden, so dass die Besonderheiten von Interaktionsarbeit Berücksichtigung finden und gute Interaktionsarbeit möglich wird?
- Was sind die arbeitspolitischen Voraussetzungen für die Verwirklichung einer menschengerechten Arbeitsgestaltung bei Interaktionsarbeit?
Für die Beantwortung dieser Fragen wurden die Besonderheiten von Interaktionsarbeit theoretisch und empirisch erfasst, die herkömmlichen Grundsätze der Arbeitsgestaltung überprüft, erweitert bzw. modifiziert und konkrete Vorschläge für die Gestaltung menschengerechter Interaktionsarbeit erarbeitet.
Untersuchungsmethoden
Forschungsleitend ist ein Konzept von Interaktionsarbeit, das die Anforderungen benennt, die mit der Arbeit im Kundenkontakt verbunden sind: die Kooperationsarbeit, die Arbeit an den eigenen Gefühlen, die Arbeit an den Gefühlen der KundInnen und subjektivierendes Arbeitshandeln für den Umgang mit Unwägbarkeiten.
In Fallstudien wurden die Anforderungen an Interaktionsarbeit im Einzelhandel, in der Gastronomie, in der Arbeitsverwaltung und in der Krankenpflege mit Methoden der qualitativen Sozialforschung herausgearbeitet. Hierfür wurden Beschäftigte interviewt und bei der Arbeit begleitet, Experteninterviews durchgeführt und Gespräche mit betrieblichen AkteurInnen geführt.
Vor dem Hintergrund dieser empirischen Ergebnisse wurden die herkömmlichen Gestaltungsgrundsätze menschengerechter Arbeit auf den Prüfstand gestellt, modifiziert und weiterentwickelt. Die Erarbeitung konkreter Gestaltungsvorschläge wurde durch Workshops mit PraktikerInnen der Arbeitsgestaltung unterstützt.
Darstellung der Ergebnisse
Die herkömmlichen Gestaltungsgrundsätze menschengerechter Arbeit lassen sich nicht umstandslos auf Interaktionsarbeit übertragen. Vom Arbeits- und Gesundheitsschutz über das Kriterium der vollständigen Tätigkeit bis hin zur Leistungsbemessung stößt man auf neuralgische Punkte, wenn man diese Konzepte auf Interaktionsarbeit anwendet. Aus dieser kritischen Überprüfung heraus werden Lösungswege aufgezeigt, die für die Arbeitsgestaltung bei Interaktionsarbeit eingeschlagen werden müssen.
Diese Lösungswege werden in konkrete Vorschläge überführt: So ist beim Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern auch die Gesundheit der KundInnen mit zu berücksichtigen; die Vollständigkeit einer Tätigkeit lässt sich weniger durch Planung und Kontrolle, sondern eher durch die Erweiterung von Handlungsspielräumen für die Beschäftigten realisieren; für die Leistungsbemessung muss Interaktionsarbeit zu allererst sichtbar gemacht und anerkannt werden.
Aktuelle Entwicklungstendenzen von Arbeit stehen einer menschengerechten Gestaltung von Interaktionsarbeit entgegen, eröffnen aber auch Gestaltungschancen, die man arbeitspolitisch nutzen muss.