Projektbeschreibung
Kontext
Trotz der institutionellen Verankerung der Kategorie Gender zum einen als Gender Mainstreaming zum anderen als Gender Studies im wissenschaftlichen Bereich, bleibt die inhaltliche Diskussion um Fragen und Entwicklungen der Geschlechterverhältnisse eher auf die Frauen- und Geschlechterforschung begrenzt. Im Bildungsbereich gibt es zwar Diskussionen um eine "geschlechtergerechte Schule" und über die Diskriminierung von Mädchen oder nunmehr von "Jungen". Damit werden aber oftmals Geschlechterzuschreibungen und Stereotype reproduziert, anstatt ihnen entgegenzuwirken oder sie zu dekonstruieren. In der politischen Bildung werden Geschlechterverhältnisse trotz gesellschaftlicher Relevanz, der Verankerung in den Lehrplänen und bestehender Ungleichheitsverhältnisse kaum thematisiert. Insofern stellt sich die Frage, ob und welchen Beitrag politische Bildung leistet und leisten kann, um geschlechterreflexive Bildung zu ermöglichen und geschlechtergerechte Verhältnisse voranzutreiben.
Fragestellung
Die Studie widmet sich inhaltlich zwei zentralen Aspekten: Zum einen dem Stand des Diskurses zur Kategorie Gender in der politischen Bildung. Hier stellte sich die Frage, welche Auffassungen der Frauen- und Geschlechterforschung im aktuellen Diskurs der politischen Bildung repräsentiert und aufgegriffen werden und inwiefern die fachdidaktischen Diskussionen Anschluss an die sozialwissenschaftlichen Bezugsdiziplinen findet. Zum anderen wurde gefragt, wie sich die Katgeorie Geschlecht im Politikverständnis der politischen Bildung vermittelt. Dabei wurde untersucht, inwiefern im Diskurs der politische Bildung ein "maskulinistischer" Politikbegriff zu Grunde gelegt wird.
Untersuchungsmethoden
Die Studie hat methodisch text- und diskursanalytisch den aktuellen Forschungs- und Literaturstand des wissenschaftlichen Diskurses der politischen Bildung zum Thema Gender und Geschlechterverhältnisse systematisch erhoben, gesichtet und analysiert. Dabei wurde ein kritisch analytischer Blick darauf geworfen, inwiefern fachwissenschaftliche Diskurse zur Kategorie Gender einerseits sowie zum Politikbegriff andererseits in die politische Bildung und Fachdidaktik transferiert werden. Es sollte dabei das gesamte Feld der politischen Bildung, sowohl die schulische als auch die außerschulische, in den Blick genommen werden. Im außerschulischen Bereich wurde vor allem die aktuelle Literatur der politischen Jugendbildung herangezogen. Gesichtet wurden einschlägige Publikationen der fachdidaktischen Debatte seit Beginn der 1990er-Jahre.
Darstellung der Ergebnisse
Festzustellen ist, dass die Arbeiten der schulischen Politikdiaktik aus den 1990er-Jahren meist aus differenzfeministischer Sichtweise geschrieben wurden. Zentrale Punkte waren geschlechtergerechter Unterricht sowie unterschiedliche Lernvorrausetzungen, -verhalten und -interessen von Jungen und Mädchen. In der Regel wurden hier trotz einer gewissen Sensibilität hinsichtlich Geschlechterstereotypen sowie der Zurückweisung eines "natürlichen" Geschlechts Geschlechterrollen und -zuscheibungen reproduziert. Die theoretischen Annahmen verblieben im Rahmen von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität. Geschlechtergerechtigkeit meinte hier die Angleichung der Geschlechter bei Anerkennung der jeweiligen geschlechtsspezifischen Kompetenzen. Einige Autorinnen und Autoren haben im Laufe der Jahre theoretische Weiterentwicklungen der Frauen- und Geschlechterforschung in ihren konzeptionellen Überlegungen aufgegriffen, aber meist in eingeschränkter Form. Es lässt sich demgegenüber feststellen, dass sich in den Publikationen der politischen Jugendbildung das gesamte Spektrum der Frauen- und Geschlechterforschung wiederfindet; hier ist auch die Männlichkeits- und Jungenforschung vertreten.