Projektbeschreibung
Kontext
In allen Spektren der extremen Rechten findet sich die Konstruktion einer Männlichkeit als weiß, "deutsch", nicht-jüdisch und heterosexuell. Sie geht mit der Abwertung all jener Männlichkeit(en), die jenem normativen Modell nicht entsprechen/nicht entsprechen können einher und gipfelt nicht selten in Gewalt. So konzentrierte sich etwa der "Nationalsozialistische Untergrund" bei der Auswahl ihrer Opfer auf " 'unarische' Männer im zeugungsfähigen Alter". In rechtsextremen Gewalttaten finden sich immer wieder Akte der Entmännlichung der Opfer durch die Markierung als homosexuell. Weder politikwissenschaftliche noch pädagogische Arbeiten zum Thema reflektieren Geschlecht allgemein und Männlichkeit im Speziellen für das Funktionieren extrem rechter Ideologien und Lebenswelten. Das Geschlecht der mehrheitlich männlichen Gewalttäter wird, wenn überhaupt benannt; eine Analyse etwa in Anlehnung an Überlegungen zur steten (Re-)Produktion hegemonialer Männlichkeit bleibt in der Regel außen vor.
Fragestellung
In verschiedenen Teilerhebungen ist der Frage nach der Bedeutung von Männlichkeit bei der Hinwendung und dem Verbleib junger Männer in extrem rechte Szenen nachgegangen worden. Hierbei war von Interesse, welche spezifischen Attraktionen die extrem rechte Selbstinszenierung von Geschlecht für männliche Jugendliche birgt, wie junge Männer von rechten Szenen angesprochen werden und welche Angebote und daran geknüpfte Versprechen, ein "richtiger Mann" zu werden, unterbreitet werden.
Untersuchungsmethoden
Um die Bedeutung von Männlichkeit bei der Hinwendung, dem Verbleib und der Distanzierung von extrem rechten Szenen zu untersuchen, wurden Interviews mit ehemaligen Angehörigen extrem rechter Szenen unter einer geschlechterreflektierenden Perspektive (re-)analysiert. Im Rahmen einer Medienanalyse stand die Frage nach den Angeboten, welche die extreme Rechte männlichen Jugendlichen macht im Mittelpunkt. Hier wurden jugendspezifische Medien der extremen Rechten wie verschiedene Schüler_innenzeitungen oder die sogenannten Schulhof-CDs einer diskursanalytisch orientierten Inhaltsanalyse unterzogen und das Versprechen herausgearbeitet, durch die Hinwendung in die extreme Rechte ein "richtiger Mann" zu werden. Zudem wurden zwei Expert_innenworkshops und Expert_inneninterviews mit Multiplikator_innen der pädagogischen Praxis durchgeführt, um den Fort- und Weiterbildungsbedarfs von Pädagog_innen zu ermitteln.
Darstellung der Ergebnisse
Der Zusammenhang von Rechtsextremismus und Geschlecht konnte in den Teilerhebungen bestätigt werden. Die extreme Rechte macht mittels einer traditionellen Geschlechterordnung Angebote der Orientierung, die für Jugendliche Attraktivitäten entfalten können und vermittelt mit der ihr immanenten Orientierung am Konstrukt der Volksgemeinschaft klar dichotome Bilder davon, was ein "echter Mann" und eine "richtige Frau" ist. Sie gibt damit vermeintlich klare Antworten auf eine mit der Auspluralisierung von Geschlechterrollen in modernen Gesellschaften verbundene allgemeine Unsicherheit. Damit schafft es die extreme Rechte, an gesamtgesellschaftliche Diskurse und Problemlagen anzuknüpfen, Jugendliche anzusprechen und ihnen Angebote zu machen. Die Ergebnisse des hier beschriebenen Forschungsprojektes verweisen einmal mehr auf die Notwendigkeit der Reflexion von Geschlecht in der pädagogischen Arbeit gegen Rechtsextremismus. Einen Ansatz hierfür bietet die geschlechterreflektierte Jungenarbeit mit ihrem Ansatz, Jungen sowohl von der Anforderung, ein "richtiger Junge" sein zu müssen zu entlasten, als auch im Umgang mit eigenen und fremden Grenzen zu sensibilisieren.