Projektbeschreibung
Kontext
Die gesetzliche Mitbestimmung galt immer als ein wesentlicher Garant unternehmerischer Prosperität und sozialen Ausgleichs. Doch im Zuge der Deregulierungen der 1990er Jahre wurden verstärkt freiwillige und unternehmensspezifische Formen sozialer Verantwortung von Arbeitgeberseite eingefordert ("CSR"). Gleichzeitig stellten weltweit soziale, ökologische und ökonomische Verwerfungen über Wertschöpfungsketten Unternehmen jeder Größenordnung und Branche vor neue Herausforderungen, die von NGOs verstärkt - und ebenfalls im Sinne einer CSR - thematisiert wurden. Diese Sujets betrafen zunehmend auch die Situation der Beschäftigten. Zu hinterfragen ist daher, ob und wie diese Themen zukünftig gegenüber den Unternehmensleitungen operationalisiert werden könnten: Gelingt es den ANV in der Triade mit Managements und NGOs, CSR für den Erhalt oder gar den Ausbau der Rechte der Beschäftigten zu nutzen?
Fragestellung
Konkret wurden folgenden Fragen untersucht:
- Unter welchen Bedingungen adressieren Unternehmen die neuen Herausforderungen? Welche Rolle spielen dabei die Arbeitnehmervertretungen (ANV)?
- Wie interagieren beide Seiten mit NGOs, die von außen - spezialisiert, vernetzt und unternehmensspezifisch - ihre Forderungen erheben? Geraten Arbeitnehmerinteressen hierbei unter Druck?
- Welche Methoden, Inhalte, Kompetenzen und Koalitionsmöglichkeiten nutzen ANV ihrerseits, um die Interessen der Beschäftigten in dieser Triade zu schützen und weiterzuentwickeln?
- Eröffnet die Diskussion um CSR und Nachhaltigkeit neue Möglichkeiten für ANV, die Standards gesetzlicher Mitbestimmung im Unternehmen auf sozialpartnerschaftlicher Basis weiterzubringen? Welche Voraussetzungen wären hierfür zu erfüllen, und welche Beispiele könnten erste Orientierungen bieten?
Untersuchungsmethoden
Für die Untersuchung wurden zunächst öffentliche Primärquellen der Unternehmen sowie öffentliche Berichterstattung und Debatten selbst ausgewertet. Anschließend fanden leitfadengestützte Interviews mit CSR-Beauftragten der Unternehmensleitungen und mit Betriebsräten verschiedener Ebenen in allen dreizehn Unternehmen statt. Vier dieser Unternehmen wurden dann weiter vertieft untersucht, NGOs und weitere externe AkteurInnen herangezogen. Anerkannte ExpertInnen wurden abschließend zu CSR und Nachhaltigkeit befragt.
Darstellung der Ergebnisse
- Die soziale, ökologische und ökonomische Deregulierung insbesondere der 1990er Jahre erweist sich zunehmend als reflexiver Prozess, bei dem die globale und unternehmerische Bewältigung ihrer Folgen zunehmend handlungsbestimmend wird.
- Private Governance wird in dynamischen Märkten an Bedeutung weiter zunehmen; es gibt verschiedene Konstellationen, in denen Unternehmen freiwillige Verantwortung übernehmen.
- Die Kurz- und Intensivfallstudien zeigen, dass CSR de facto als unternehmensspezifische Verstärkung und Erweiterung der gesetzlichen Mitbestimmung wirken kann. Mitbestimmung wurde auch und gerade von Arbeitnehmervertretungen als Wegbereiterin für freiwillige, soziale Unternehmensverantwortung bis hin zu Internationalen Rahmenvereinbarungen genutzt.
- Die Debatte um "CSR als Ersatz für Mitbestimmung" hingegen war offenbar der vergebliche Versuch, selektive Ziele aus anderen Wirtschaftskulturen der Mitbestimmungskultur hierzulande überzuziehen.
Mitbestimmung ist eine Basis für CSR - nicht umgekehrt.