Projektbeschreibung
Kontext
Mit der Richtlinie über Europäische Betriebsräte vom 22. September 1994 wurde erstmals die Interessenvertretung von Arbeitnehmern auf europäischer Ebene gesetzlich geregelt. Die Bilanz fällt jedoch gemischt aus: Obwohl der Europäische Betriebsrat besonders in Ländern ohne eigene Tradition betrieblicher Interessenvertretung (wie etwa Großbritannien) als Erfolg angesehen werden kann, bleibt alles in allem die Zahl der betroffenen Unternehmen, in denen es keinen europäischen Betriebsrat gibt, erstaunlich hoch.
Fragestellung
Ziel des Projektes war es, die Gründe und Motive zu untersuchen, warum es auch in vielen deutschen Unternehmen keinen Europäischen Betriebsrat gibt. Von besonderem Interesse waren dabei Unternehmen, in denen es eine funktionierende Betriebsratsstruktur gibt und wo das Fehlen eines Europäischen Betriebsrats nicht allein an der ohnehin schwachen Interessenvertretung liegen kann. Im Fokus stand die Frage, welche Gründe aus Sicht der deutschen Betriebsräte und der Arbeitnehmervertretungen in den europäischen Niederlassungen gegen die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats sprechen: Sehen sie den Europäischen Betriebsrat als das falsche Instrument, um die Interessen der Beschäftigten auf europäischer Ebene zu vertreten? Gibt es bessere Mittel und Möglichkeiten? Welche anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Arbeitnehmervertretungen in verschiedenen europäischen Ländern gibt es?
Untersuchungsmethoden
Die Beantwortung dieser Forschungsfragen erfolgte in drei Schritten:
a) Sicherstellen der Datengrundlage: Um das Ausmaß der Deckungslücke zu überprüfen, hat das Forschungsprojekt die Daten auf den neuesten Stand gebracht, welche deutschen Unternehmen die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Europäischen Betriebsräts erfüllen.
b) Qualitative Fallstudien in sechs Unternehmen: Mit Hilfe der Fallstudien wurden die Faktoren ermittelt, die für das Fehlen eines Europäischen Betriebsrats ausschlaggebend sind. Dazu wurden Interviews mit deutschen Betriebsräten, Arbeitnehmervertretungen in Frankreich und Großbritannien sowie Personalverantwortlichen durchgeführt.
c) Quantitative Umfrage unter deutschen Unternehmen: Abschließend wurden die Hypothesen zu den Gründen und Motiven für das Fehlen eines Europäischen Betriebsrats mit Hilfe einer quantitativen Umfrage unter den deutschen Unternehmen überprüft, die den erhobenen Daten zufolge in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen.
Darstellung der Ergebnisse
Die Motive, warum auch Arbeitnehmervertretungen häufig kein hinreichendes Interesse an der Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats haben, lassen sich drei Gruppen zuordnen:
1. Wissensdefizit und Intransparenz: Oft fehlen schon genaue Kenntnisse über die rechtlichen Möglichkeiten. Außerdem erschweren komplexe und intransparente Unternehmensstrukturen eine Einschätzung darüber, ob ein Unternehmen die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats überhaupt erfüllt.
2. Zweifel am Mehrwert und knappe Ressourcen: Für die deutschen Betriebsräte stellt sich die Frage, welche Vorteile ein Europäischer Betriebsrats gegenüber den vorhandenen Mitbestimmungsrechten bietet. Den Arbeitnehmervertretungen in den europäischen Niederlassungen fehlen (oft schon allein aufgrund der kleinen Betriebsgrößen) die Ressourcen, um sich mit dem Thema zu befassen.
3. Art der Internationalisierung: Wenn es keine Konkurrenz zwischen den europäischen Standorten gibt, fehlt das zentrale Motiv für eine transnationale Interessenvertretung. Durch die zunehmende Internationalisierung des Personalmanagements wird aber auch in diesen Fällen ein Europäischer Betriebsrat attraktiver.