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Neue Werte: IMK Inflationsmonitor: Mit Rückgang der Teuerung im Juni nur noch drei Haushaltstypen über zwei Prozent Inflationsrate

16.07.2024

Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juni gegenüber Mai leicht von 2,4 auf 2,2 Prozent gesunken und liegt wieder auf dem Niveau der Vormonate. Hauptgrund dafür war ein Rückgang der Energiepreise. Dementsprechend sanken auch die Inflationsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, leicht. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate betrug im Juni moderate 0,7 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Im Juni 2023 waren es 1,3 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der letzten Inflationswelle sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel der Jahre 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im Juni 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden und von Familien mit niedrigen Einkommen verteuerte sich im Juni um jeweils 1,6 Prozent. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.

Insgesamt lag die Inflationsrate von sechs der untersuchten neun Haushaltstypen im Juni bei oder etwas unter zwei Prozent, dem Inflationsziel der der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Teuerungsrate der übrigen drei betrug 2,1 bis maximal 2,3 Prozent. Im weiteren Jahresverlauf sei eine fortgesetzte Abschwächung bei der Preisdynamik absehbar, analysieren die Forschenden. Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen schwach ist, halten die Fachleute des IMK weitere Zinssenkungen durch EZB für dringend nötig. Das werde der Notenbank erleichtert, wenn die Regierungen – insbesondere die deutsche – vorläufig Zurückhaltung bei Abgabenerhöhungen üben, die die Preise treiben. 

Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten und in der Abbildung im Anhang). Seit kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen.

Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte während der jüngsten Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im Juni 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren – 7,0 Prozent. Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in jenem Monat mit 5,7 Prozent deutlich niedriger und unter der hohen allgemeinen Inflationsrate von damals 6,4 Prozent. 

Bis zu 21 Prozent kumulierte Inflation seit 2020

Blickt man auf den gesamten Zeitraum, seit 2020 mit der Corona-Pandemie die noch andauernde Krisenphase begann, waren Familien, insbesondere die mit niedrigen bis mittleren Einkommen, mit höheren Inflationsraten konfrontiert als Alleinstehende. Auch bei diesem Mehrjahresvergleich hatten Singlehaushalte mit sehr hohen Einkommen die niedrigste Inflationsrate: Ihre Warenkörbe verteuerten sich von 2020 bis 2024 um insgesamt 18,5 Prozent, zeigen Dullien und Tober in einer Zusatzauswertung. Die Teuerungsraten von Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen lagen um 2,5 Prozentpunkte höher bei je 21 Prozent für den Gesamtzeitraum.

Die starke kumulierte Teuerung seit Krisenbeginn macht deutlich, wie belastend die Inflationswelle insbesondere für ärmere Haushalte und Haushalte der Mittelschicht gewesen ist. Auch wenn die Inflationsrate jetzt erfreulicherweise wieder nahe an der EZB-Zielinflation liegt, darf nicht ausgeblendet werden, dass das Preisniveau deutlich höher ist als vor dem Inflationsschub.

Prof. Dr. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor IMK

Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Haushalten weniger stark als der Durchschnitt, weil die im Jahresvergleich geringeren Preise für Haushaltsenergie bei ihnen ein relativ großes Gewicht besitzen. Dass aktuell Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,3 Prozent eine höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt wiederum daran, dass diese Haushalte stärker als andere etwa Versicherungen, Restaurant- und Hoteldienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen oder Dienstleistungen zur Wohnungsinstandhaltung nachfragen, deren Preise aktuell überdurchschnittlich anziehen. Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich im Juni um 2,2 Prozent verteuerte. Die Inflationsrate von Paaren ohne Kinder mit mittleren Einkommen betrug 2,1 Prozent, die von Paaren mit Kindern und mittleren Einkommen sowie von Alleinlebenden mit höheren Einkommen betrug je 2,0 Prozent. Alleinlebende mit mittleren Einkommen verzeichneten eine Teuerungsrate von 1,9 Prozent, ebenso wie Alleinerziehende mit mittleren Einkommen. 

Zurückhalten bei Fiskalmaßnahmen, die die Preise antreiben

Dullien und Tober rechnen im weiteren Jahresverlauf mit nachlassendem Teuerungsdruck, auch bei den Dienstleistungspreisen, die zuletzt stärker angezogen haben. Die EZB habe richtig entschieden, im Juni die Leitzinsen erstmals zu senken. Für die EZB-Ratssitzung am kommenden Donnerstag erwarten die IMK-Expert*innen keine Änderung bei den Zinsen, die Zentralbank werde „den Zinssenkungsprozess erst im September fortsetzen.“ Da niedrigere Zinsen angesichts der lahmenden Konjunktur in Deutschland und im Euroraum dringend nötig seien, sehen die Forschenden Regierungen, insbesondere die deutsche, in der Verantwortung. Denn aktuell wirkten diverse fiskalische Maßnahmen der vergangenen Monate inflationserhöhend, etwa die Mehrwertsteuererhöhungen im Gastgewerbe, bei Erdgas und Fernwärme oder die Anhebung der Stromnetzentgelte.

Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie in dieser kritischen Phase der Annäherung der Inflation ans Inflationsziel auf preistreibende Maßnahmen verzichten oder diese im Falle von Lenkungssteuern“ – wie etwa dem CO2-Preis –„durch preissenkende Maßnahmen an anderer Stelle kompensieren würde.

Dr. Silke Tober, IMK-Expertin für Geldpolitik

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Kontakt

Prof. Dr. Sebastian Dullien
Wissenschaftlicher Direktor IMK

Dr. Silke Tober
IMK-Expertin für Geldpolitik

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

Quelle

Sebastian Dullien, Silke Tober:
Inflation im Juni 2024 mit 2,2 % wieder praktisch am Inflationsziel, VPI-Kernrate seit drei Monaten unter 3 %,
IMK Policy Brief Nr. 172, Juli 2024.
Download

Der Inflationsmonitor in interaktiven Grafiken.
Zu den Ergebnissen

Die Pressemitteilung mit Abbildung.
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