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Neuer Ausblick: IMK prognostiziert 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum für 2026 – Investitionsprogramm wesentlicher Faktor

27.03.2025

Die von Union und SPD vereinbarten Finanzpakete für höhere Investitionen haben das Potenzial, die deutsche Wirtschaft aus der hartnäckigen Stagnation zu befreien. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpft im Jahresdurchschnitt 2025 zwar noch einmal leicht um 0,1 Prozent, weil die schwache konjunkturelle Entwicklung im Winter einen hohen statistischen Einfluss hat. Im Verlauf des Jahres, wenn die Investitionen langsam anlaufen, nimmt die Dynamik aber zu. Im kommenden Jahr ist dann eine deutliche Erholung zu sehen: Im Jahresdurchschnitt 2026 wird die deutsche Wirtschaft um 1,7 Prozent wachsen. Die BIP-Entwicklung ist damit 2026 ein wenig stärker als in den USA (1,6 Prozent) und im Durchschnitt des Euroraums (1,5 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in seiner neuen Konjunkturprognose. Da der Arbeitsmarkt zeitversetzt reagiert, bringt das anziehende Wachstum noch keine positive Trendwende bei der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote steigt 2025 auf 6,2 Prozent und verharrt 2026 auf diesem Niveau. Immerhin wächst die Zahl der Erwerbstätigen nach einem leichten Rückgang in diesem Jahr 2026 wieder – um 0,2 Prozent. Die Inflationsrate liegt laut IMK-Prognose im Jahresdurchschnitt 2025 sowie 2026 bei 2,0 Prozent und damit genau beim Inflationsziel der EZB. 

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom Dezember 2024 nimmt das IMK die Wachstumserwartung beim BIP für dieses Jahr um 0,2 Prozentpunkte zurück. Für 2026 legen die Düsseldorfer Konjunkturexpert*innen erstmals eine Prognose vor. „Fest steht: Ohne die jetzt absehbare Kurswende bei den Investitionen, die Einigung mit den Grünen und die Zustimmung im Bundesrat wäre unsere Vorhersage für 2026 deutlich niedriger ausgefallen“, sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. 

„Mit der Einigung der Union und der SPD auf ein 500 Milliarden Euro schweres Infrastruktur-Sondervermögen wurden die Karten neu gemischt. Wenn die öffentlichen Investitionen wie anvisiert umgesetzt werden, könnten sie der deutschen Wirtschaft den seit Längerem erforderlichen Nachfrageschub zur Überwindung der Stagnation liefern, die Standortbedingungen und die Stimmung bei den Unternehmen verbessern“, umreißen Dullien und seine Forscherkolleg*innen das neue Konjunkturbild. Die zusätzlichen Investitionen würden zwar zunächst langsam anlaufen – konkret rechnen die Ökonom*innen 2025 mit 12 Milliarden Euro zusätzlich für Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung mit einem Schwerpunkt bei der Rüstung. 

Doch bereits ab dem zweiten Quartal 2025 dürfte sich konjunkturell „das Blatt wenden“, schreiben die Forschenden. Das unterstreichen neue Werte des IMK-Konjunkturindikators, der schon für die nächsten drei Monate einen deutlichen Rückgang bei der Rezessionsgefahr signalisiert. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator wechselt von „gelb-rot“ in die günstigere Phase „gelb-grün“. Für das kommende Jahr erwartet das IMK dann zusätzliche Investitionen von 29 Milliarden Euro, wobei sich der Schwerpunkt Richtung Infrastruktur verschieben dürfte. Die Ökonom*innen unterstreichen, wie wichtig die längerfristige Perspektive der Finanzpakete ist: „Neben dem direkten Nachfrageeffekt dürfte die über 12 Jahre angelegte Investitionsstrategie durch die Beseitigung von politischen Unsicherheiten und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Aussichten eine nennenswerte Belebung des privaten Konsums und der privaten Investitionen bewirken.“  

Auch wenn die Entscheidung für eine kreditfinanzierte Investitionsoffensive richtig sei – ein Selbstläufer werde das Investitionsprogramm nicht werden, betont Ökonom Dullien: „Es ist zentral, dass die Politik Vertrauen schafft und sichert, dass das viele Geld effektiv in die wirklich vordringlichen Projekte investiert wird. Dazu müssen diese auch technisch reibungslos umgesetzt werden. Hier ist die Regierung gefragt, wo immer möglich, Planungsverfahren zu straffen. Außerdem müssen die entsprechenden Behörden weiter digitalisiert werden und personell angemessen ausgestattet sein“, so der IMK-Direktor. 

Schließlich sei es gerade mit Blick auf den privaten Konsum wichtig, dass der positive Impuls nicht konterkariert werde. „Es muss darauf geachtet werden, dass bei den Vergaben gute Arbeit und beispielsweise auch Tarifbindung gefördert wird. Und wilde Kürzungsdebatten bei der sozialen Sicherung, wie wir sie im Wahlkampf gesehen haben, würden genau in die falsche Richtung führen.“

Ebenfalls sei aus ökonomischer Sicht problematisch, dass nach der Reform der Schuldenbremse Verteidigungsausgaben, die das Produktionspotenzial nicht erhöhen, zeitlich und in der Höhe unbegrenzt über Kredite finanziert werden dürfen, während für öffentliche Investitionen die Kreditaufnahme auf das Volumen des Sondervermögens begrenzt ist. „Die Logik der Generationengerechtigkeit würde genau das Gegenteil nahelegen: Investitionen auf Kredit ja, aber Verteidigungsausgaben nur im Ausnahmefall schuldenfinanziert“, so Dullien. „Hier ist wichtig, dass Union und SPD tatsächlich mit dem neuen Bundestag dann die im Sondierungspapier versprochene grundlegende Reform der Schuldenbremse angehen und die Schuldenregeln langfristig investitions- und wachstumsfreundlich gestalten.“ Sollte sich herausstellen, dass für längere Zeit höhere Verteidigungsausgaben notwendig sind, sollte man diese auch mit höheren Staatseinnahmen finanzieren. Ideal wäre hierfür eine Vermögensabgabe, die genau für solche Zwecke im Grundgesetz vorgesehen ist, so der Ökonom.

Alles in allem seien die wirtschaftlichen Aussichten nun aber deutlich günstiger als noch vor wenigen Wochen, so Dullien. Damit sei Deutschland auch besser vorbereitet auf die weltwirtschaftlichen Risiken. Die Prognose umfasst einen begrenzten Zollkonflikt. Das heißt, dass die erhöhten Zollsätze im Warenverkehr zwischen den USA und China sowie die US-Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent berücksichtigt sind. Als Hauptgefahr für die prognostizierte Erholung machen die Ökonom*innen die „radikale und unberechenbare Politik der Trump-Regierung“ aus. Diese könnte nicht nur durch eine weitere Verschärfung des Handelskonflikts negativ wirken, sondern auch dadurch, dass sie die „US-Wirtschaft, die zuvor auf einem kräftigen Wachstumspfad war, in die Rezession stürzen“ könne.  

Arbeitsmarkt

Die schwache konjunkturelle Dynamik bremst in diesem Jahr die lange Zeit positive Entwicklung der Erwerbstätigkeit aus. Die Zahl der Erwerbstätigen nimmt im Jahresdurchschnitt 2025 leicht ab – um 0,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit steigt um rund 120.000 Personen auf knapp 2,91 Millionen im Jahresmittel, die Arbeitslosenquote liegt bei 6,2 Prozent nach 6,0 Prozent 2024. Für 2025 veranschlagen die Forschenden dann wieder eine moderate Zunahme der Erwerbstätigenzahl um jahresdurchschnittlich 0,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit steigt noch einmal marginal um 10.000 Personen, die Quote verharrt bei 6,2 Prozent. 

Weltwirtschaft und Außenhandel

Die Weltwirtschaft wächst 2025 und 2026 recht verhalten um 3,0 bzw. 2,9 Prozent. Die Wirtschaftspolitik der USA wirkt belastend. Während in der EU das Wachstum etwas anzieht (1,5 Prozent in diesem, 1,7 Prozent im kommenden Jahr), sind die Raten in den USA leicht (1,7 und 1,6 Prozent) und in China (4,6 und 4,1 Prozent) spürbar rückläufig. Die deutschen Exporte erhalten von wichtigen Handelspartnern nur schwache Impulse, wozu auch beiträgt, dass in China gezielt Importe durch Produkte aus heimischer Herstellung ersetzt werden. 

Im Jahresdurchschnitt 2025 sinken die Ausfuhren trotz einer leichten Belebung im zweiten Halbjahr kräftig um 4,1 Prozent. 2026 verstärkt sich die Dynamik und die Exporte wachsen um 1,4 Prozent im Jahresmittel. Die Importe legen 2025 um durchschnittlich 0,9 Prozent zu. 2026 steigen die Einfuhren mit der anziehenden Konjunktur in Deutschland relativ kräftig um 3,2 Prozent. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss sinkt von 5,9 Prozent des BIPs 2024 auf 4,0 Prozent 2025 und 3,3 Prozent im kommenden Jahr.

Investitionen

Die Ausrüstungsinvestitionen erhöhen sich laut IMK-Prognose im Jahresdurchschnitt 2025 lediglich um 0,3 Prozent, weil die erste Jahreshälfte noch unter dem Eindruck der jahrelangen Stagnationsphase steht. Ab der zweiten Jahreshälfte dürften die Unternehmen ihre Investitionstätigkeit verstärkt ausweiten, die vermehrten staatlichen Investitionen zeigen dann erste Wirkung, außerdem verbessern sich die Finanzierungsbedingungen. 2026 zieht das Tempo dann stark an, im Jahresdurchschnitt legen die Ausrüstungsinvestitionen um 7,1 Prozent zu. Auch die Bauinvestitionen schwenken auf einen Erholungskurs ein, der sich allerdings erst 2026 deutlicher in der Statistik zeigt: Nach einem Rückgang um 0,6 Prozent im Jahresdurchschnitt 2025 legen die Bauinvestitionen im kommenden Jahr um durchschnittlich 2,9 Prozent zu.

Privater Konsum

Auch beim privaten Konsum schwindet Schritt für Schritt die Zurückhaltung, die 2024 trotz steigender Realeinkommen geprägt hatte. Für dieses Jahr erwartet das IMK bei weiter moderat zunehmenden Einkommen, noch einmal sinkender Inflation und zurückgehender Sparquote einen realen Zuwachs der privaten Konsumausgaben um 1,2 Prozent im Jahresdurchschnitt. 2026 ziehen die Ausgaben der Privathaushalte dann noch einmal spürbar stärker an – um 2,3 Prozent im Jahresmittel.

Inflation und öffentliche Finanzen

Für 2025 und 2026 rechnet das IMK mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von je 2,0 Prozent im Jahresmittel. Damit liegt die Teuerung beim EZB-Inflationsziel. 

Infolge der abflauenden Teuerung, der vorläufigen Haushaltsführung seit dem Bruch der Ampel-Koalition und wegfallender Inflationsausgleichprämien rechnet das IMK im ersten Halbjahr 2025 mit einer langsameren Steigerung der Staatsausgaben als im Vorjahr, bevor sich im zweiten Halbjahr die stärkeren Investitionen bemerkbar machen. Höhere Beiträge bei der Kranken- und der Pflegeversicherung, der höhere CO2-Preis und eine Anhebung der Tabaksteuer steigern die öffentlichen Einnahmen, während unter anderem der Ausgleich der kalten Progression in die Gegenrichtung wirkt. Unter dem Strich sinkt das Defizit der öffentlichen Budgets gemessen am BIP auf 2,5 Prozent nach 2,8 Prozent 2024. 

Im kommenden Jahr gibt der Staat spürbar mehr Geld für Investitionen und Verteidigung aus. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass das Defizit 2026 auf 3,1 Prozent im Jahresdurchschnitt steigt. Damit liegt es geringfügig über der Maastricht-Grenze von 3 Prozent. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich Deutschland 2026 wegen der veränderten geopolitischen Lage auf die nationale Ausnahmeklausel bei den europäischen Fiskalregeln berufen kann. 

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