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Eine Frau hält in ihrer Hand eine Brieftasche mit Geld und Bankkarten. Pressemitteilungen

Neue Werte: IMK Inflationsmonitor: Teuerungsraten mehrerer Haushaltstypen unter Inflationsziel – EZB-Zinswende im Juni überfällig

16.05.2024

Die Inflationsrate in Deutschland lag im April mit 2,2 Prozent nur noch knapp über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Die Teuerungsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, lagen relativ nah beieinander. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Rate betrug 0,9 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Im April 2023 waren es 1,9 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der letzten Inflationswelle sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im April 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden mit niedrigen Einkommen verteuerte sich im April um 1,4 Prozent, der von Familien mit niedrigen Einkommen um 1,6 Prozent. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt. Insgesamt lag die Inflationsrate von fünf der untersuchten neun Haushaltstypen im April unter zwei Prozent, die der übrigen nur knapp darüber. Angesichts des schnellen Rückgangs der Inflation und einer schwachen Wirtschaftsentwicklung seien Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ab Juni überfällig, analysieren die Forschenden. 

Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden. Seit kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen.

Die längerfristige Betrachtung illustriert anschaulich, dass ärmere Haushalte während der letzten Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber stark nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im April 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren – 8,1 Prozent. Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in diesem Monat mit 6,2 Prozent deutlich niedriger und unter der allgemeinen Inflationsrate von damals 7,2 Prozent.  

Dass die allgemeine Inflationsrate im April wie im März 2024 unverändert 2,2 Prozent betragen hat, liegt vor allem daran, dass zwar die Kerninflation ohne Lebensmittel und Energie spürbar zurückging, aber die Preise für Haushaltsenergie weniger stark als im Vormonat (-3,2 Prozent nach -4,6 Prozent), während zugleich die Nahrungsmittelpreise etwas stärker stiegen (1,1 Prozent nach 0,2 Prozent) und zudem die Kraftstoffpreise anzogen. Dabei erhöhte die Wiederanhebung des Mehrwertsteuersatzes auf Erdgas und Fernwärme die Inflationsrate um 0,2 Prozentpunkte. Ohne diesen Effekt wäre also die EZB-Zielinflation genau erreicht, so die Fachleute des IMK. Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen waren davon geringfügig stärker betroffen als reiche, da Heizenergie in ihren Warenkörben eine größere Rolle spielt, ebenso wie Nahrungsmittel. 

Dass Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,3 Prozent aktuell eine leicht höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass diese Haushalte stärker als andere Freizeit- und Kulturdienstleistungen, Hotelübernachtungen,  Restaurantdienstleistungen oder Gesundheitsdienstleistungen nachfragen, deren Preise aktuell deutlich anziehen. Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich um 2,2 Prozent verteuerte. Die Inflationsraten von Paaren ohne Kinder und von Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen betrug je 2,1 Prozent. Alleinlebende mit höheren Einkommen verzeichneten eine Teuerungsrate von 1,9 Prozent. Bei Alleinlebenden und bei Alleinerziehenden mit jeweils mittleren Einkommen legten die Preise im Jahresvergleich um je 1,8 Prozent zu. 

„EZB hätte spätestens im April reagieren müssen“

Dullien und Tober rechnen trotz der Stagnation zwischen März und April mit weiter nachlassendem Preisdruck. Sie kritisieren, dass die EZB bislang die Chance verstreichen ließ, die Leitzinsen zu senken, trotz der sich zeitgleich eintrübenden Wirtschaftslage. „Auf diese deutlich veränderte Datenlage hätte die EZB spätestens im April reagieren müssen, zumal EZB-Präsidentin Christine Lagarde stets betont, die EZB würde datenbasiert agieren“, schreiben die Forschenden. Ein Umschwenken auf einen Zinssenkungskurs bei der nächsten EZB-Ratssitzung im Juni sei „angesichts des schnellen Rückgangs der Inflation und der geldpolitisch stark gedämpften Wirtschaftsaktivität überfällig.“ 


Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Weitere Informationen

Sebastian Dullien, Silke Tober: IMK Inflationsmonitor: Inflation verharrt wegen höherer Mehrwertsteuer auf Erdgas im April bei 2,2 Prozent, IMK Policy Brief Nr. 169, Mai 2024.
Download

Die Pressemitteilung mit Abbildung (pdf)

Ergebnisse des Inflationsmonitors in interaktiven Grafiken

Kontakt

Prof. Dr. Sebastian Dullien
Wissenschaftlicher Direktor IMK

Dr. Silke Tober
IMK-Expertin für Geldpolitik

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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