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Arbeitszeit, Recht auf Nichterreichbarkeit, Schutz vor Überwachung: Arbeiten 4.0: Neue Auswertung zeigt, wie Betriebsräte faire Regeln aushandeln

04.12.2015

 

Der Einsatz moderner Technologien wird die Arbeit stark verändern. Umso wichtiger ist es, Arbeitnehmer und ihre Vertreter frühzeitig einzubeziehen. In manchen Unternehmen gibt es bereits Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Management, die zumindest Teilaspekte der digitalen Umwälzungen regeln. Betriebsräte sollten sich so früh wie möglich dafür einsetzen, den bevorstehenden Wandel zu gestalten. Zugleich müssen sie mit mehr Rechten ausgestattet werden. Das sind zentrale Ergebnisse einer neuen Untersuchung von Dr. Manuela Maschke und Nils Werner aus der Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. „Faire, transparente Regeln sind nicht nur im Interesse der Beschäftigten“, betont Maschke. „Sie sind Voraussetzung für motivierte, selbstverantwortliche Arbeit, ohne die moderne Unternehmen gar nicht funktionieren können.“

Dem von Maschke geleiteten Archiv für Betriebsvereinbarungen liegen insgesamt rund 2.500 Abkommen vor, die auf sehr unterschiedliche Weise den Einsatz von Technik regeln, wie etwa die Nutzung mobiler Geräte, Social Media oder Datenschutz. Darüber hinaus betrifft die Digitalisierung Themen wie Arbeitszeit, Arbeitsprozesse, Gesundheitsschutz oder Weiterbildung. Auch dazu gibt es bereits praktische Erfahrungen. Anhand von Beispielen zeigen die Experten, welche Praktiken sich bewährt haben und wo noch Handlungsbedarf besteht. Immerhin, so zeigt die Auswertung, werden Betriebs- und Personalräte heute tendenziell früher beteiligt als noch vor zehn bis 15 Jahren.

Die neuen technischen Möglichkeiten erlauben auf der einen Seite mehr Freiheiten und Flexibilität, auf der anderen Seite verlangen sie dem einzelnen Beschäftigten mehr ab: „Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten möglich, wachsende Leistungsverdichtung und ständige Erreichbarkeit erzeugen so viel Druck, dass individuell Grenzen kaum gesetzt werden können“, so die Autoren.

Dass Betriebsräte einiges erreichen können, zeigen aktuelle Fälle: Bei Volkswagen vereinbarte man, dass Server außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit für tariflich Beschäftigte abgeschaltet werden. Daimler richtete einen elektronischen Abwesenheitsassistenten namens „Mail on Holiday“ ein, der alle E-Mails, die während des Urlaubs eingehen, automatisch löscht. Die Botschaft: Man muss nicht im Urlaub arbeiten.

Der Betriebsrat von BMW handelte eine Vereinbarung zur Gestaltung der mobilen Arbeit aus. Beschäftigte sollen danach die Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte nutzen können, ohne dass darunter die Freizeit leidet. Dies wird unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit gewährleistet. Auch bei Bosch beschloss man, dass Arbeitszeit und -ort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen gewählt werden können. Bedingung ist, dass die Arbeitszeit aufgezeichnet und entsprechend vergütet wird. „Wenn die allgegenwärtige Erreichbarkeit eingehegt wird und über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Leistung auch bezahlt wird, dann wird der Nutzen des Arbeitens unabhängig von Zeit und Ort wachsen“, erklärt Maschke.

Bislang kaum geregelt ist, wer die Hoheit über die wachsenden Datenmengen hat und wie sich die Überwachung von Beschäftigten eindämmen lässt. So ist es beispielsweise technisch machbar, jederzeit zu kontrollieren, was die Beschäftigten tun und wo sie sich aufhalten. Alle Zugriffe über mobile Geräte können lückenlos aufgezeichnet werden. Je nach Freigabe kann der Arbeitgeber sogar bei Telefonaten mithören. Dies alles eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Verhaltens- und Leistungskontrolle – die sich jedoch durch neue Betriebsvereinbarungen eingrenzen lassen. Einige bereits bestehende Vereinbarungen listen zulässige Auswertungen von Daten in allgemeiner Form auf. Jegliche darüber hinausgehende Nutzung ist dann verboten, auch die Weiterverarbeitung durch externe Dienstleister. „Wenn Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte bei der Umsetzung von Beginn an mit am Tisch sitzen, dann können viele Widerstände bei der Einführung neuer Technologien von vornherein vermieden werden“, so Maschke.

„Heute ist noch offen, welche theoretisch denkbaren, politisch diskutierten und prognostizierbaren Szenarien tatsächlich Realität werden“, schreiben die Experten. Ob viele oder wenige Menschen von Digitalisierung profitieren, hänge davon ab, wie Sozialpartner und politisch Verantwortliche sich für Mitbestimmungsrechte stark machen. Mehr Rechte für Betriebsräte seien ein Gebot der Stunde, wenn die Vorteile neuer Technologien im Interesse aller genutzt werden sollen. Betriebsräte und Gewerkschaften müssten von Beginn an einbezogen werden. Dabei gehe es nicht darum, technische Neuerungen zu verhindern, sondern diese so zu gestalten, dass Beschäftigte keine Nachteile befürchten müssen und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt.

Weitere Informationen:

Manuela Maschke, Nils Werner: Arbeiten 4.0 – Diskurs und Praxis in Betriebsvereinbarungen (pdf) Mitbestimmungsförderung in der Hans-Böckler-Stiftung, Report Nr. 14, Oktober 2015.

Infografik zum Download:  in Böckler Impuls 19/2015

Kontakt:

Dr. Manuela Maschke
Leiterin Archiv betriebliche Vereinbarungen

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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