Quelle: HBS
Service aktuellSystemrelevant Podcast: Neuberechnung der Inflationsrate
IMK-Direktor Sebastian Dullien ordnet die aktuellen Trends bei der Inflation ein und erklärt, wie und warum das Statistische Bundesamt die Teuerungsrate neu berechnet hat.
[9.3.2023]
Die Inflationsrate ist mit 8,7 Prozent im Februar so hoch ausgefallen wie im Januar und höher als von manchen erwartet. Die Kerninflationsrate stieg sogar geringfügig. Bei der Kerninflationsrate werden die Positionen Energie und Lebensmittel nicht eingerechnet. Sie ist ein wichtiger Indikator für die Zinsbildung der Europäischen Zentralbank (EZB). Manche Expert*innen wollen jetzt weitere Erhöhungen, nachdem die EZB die Zinsen bereits über die letzten Monate in großen Schritten heraufgesetzt hat. IMK-Direktor Sebastian Dullien sieht das anders: Die aktuelle Situation entstehe durch Nachwirkungen der Preisschocks im Energie- und Nahrungsmittelsektor.
Indirekte Effekte durch die Weitergabe von Preissteigerungen
Der IMK-Direktor nennt dazu ein Beispiel aus der Gastronomie: Restaurantbesitzer*innen geben die Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel an ihre Kundschaft weiter. Und erzeugen somit indirekte Effekte, die sich in der Kerninflationsrate erst zeitversetzt widerspiegeln. Das IMK rechnet damit, dass der Preisdruck bei der Energie in den kommenden Monaten weiter nachlässt und dann mit etwas Verzögerung auch diese indirekten Effekte wieder abklingen. In der Geldpolitik warnt Dullien vor Aktionismus: Es bestehe das Risiko, dass die Notenbank zu lange und zu stark die Zinsen weiter erhöht, obwohl die Inflation an Fahrt verliert. Das wäre gefährlich für die Wirtschaftsentwicklung.
Revision der Inflationsrate
Noch komplexer wird der Überblick über die aktuellen Trends bei der Teuerung durch die Neuberechnung der Inflationsrate. Das Statistische Bundesamt Destatis ändert in der Regel alle fünf Jahre den Warenkorb zur Berechnung der Inflationsraten. Grund dafür sind Veränderungen im Konsumverhalten. So wurde beispielsweile einst der Walkman aus dem Warenkorb genommen und das Mobiltelefon hinzugefügt.
Turnusmäßig wäre 2020 eine Anpassung eingeplant gewesen. Durch das untypische Konsumverhalten seit Beginn der Corona-Pandemie sei dieser Zeitpunkt jedoch nicht aussagekräftig gewesen. Destatis hat den Warenkorb nun zum Januar 2023 angepasst. Das Basisjahr für den Preisindex ist ab jetzt nicht mehr 2015. Um die Besonderheiten der letzten Jahre zu berücksichtigen, wurde als neue Basis ein Durchschnittswert der Jahr 2019 bis 2021 für Berechnungen ermittelt
Die Inflationsrate für das Gesamtjahr 2022 beträgt mit der neuen Gewichtung 6,9 statt 7,9 Prozent. Im Januar 2023 hätte die Inflationsrate mit den bisherigen Gewichten 9,6 Prozent betragen, mit den neuen Gewichten lag sie sie bei 8,7 Prozent.
Kompliziert? Keine Sorge: Im neuen Podcast könnt Ihr alles in Ruhe nachhören.
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann