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Systemrelevant Folge 234 Christina Schildmann Service aktuell

Systemrelevant Podcast: Hände weg vom Sozialstaat!

Hans Böckler prägte mit seinem Einsatz für Mitbestimmung und Demokratie die Arbeitswelt nachhaltig. Warum sein Erbe und seine Vision heute relevanter sind denn je und welche Auswirkungen sie auf die Zukunft haben, erklärt Christina Schildmann.

[12.03.2025]

Hans Böckler – ein Name, den viele von Straßenschildern oder Schulen kennen, doch nur wenige wissen, wer er wirklich war. Dabei hat Böckler der deutschen Nachkriegswirtschaft maßgeblich geprägt. Als erster Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) setzte er sich unermüdlich für die Rechte der Arbeiter ein und legte den Grundstein für die betrieblichen Mitbestimmung in Unternehmen.

Seine größte Errungenschaft war die paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie, insbesondere im Kohle- und Stahlsektor. Dank Böckler mussten Unternehmen ihre Macht mit den Arbeitnehmern teilen – in den Aufsichtsräten saßen nicht nur Unternehmer, sondern auch Arbeitervertreter, und zwar zu gleichen Teilen. Diese paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie gilt als die „Königsdisziplin“ der Unternehmensmitbestimmung.

Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, vertritt die These: „Hans Böckler war der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft und nicht Ludwig Erhard, nicht Walter Eucken oder wer auch immer sofort genannt wird.“ Böckler gab der sozialen Marktwirtschaft erst die demokratische Dimension. Sein Engagement für die Mitbestimmung war ein harter Kampf – sorgte für viele Diskussionen mit dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Kurz vor seinem Tod konnte Böckler seinen größten Erfolg feiern: Das Gesetz zur Mitbestimmung wurde verabschiedet.

In Anbetracht der aktuellen Situation beschreibt Christina Schildmann die zunehmende Erosion der Mitbestimmung in Deutschland. 2,45 Millionen Beschäftigte hätten eigentlich Anspruch auf paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat, erhalten diese jedoch nicht. Dies liege teils an Gesetzeslücken und den Praktiken vieler Unternehmen. Studien belegen, dass Unternehmen mit Mitbestimmung nicht nur produktiver, sondern auch profitabler sind. Trotz der im letzten Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen zur Stärkung der Mitbestimmung wurden diese bislang nicht umgesetzt, was weiterhin eine wichtige Aufgabe auf der politischen Agenda darstellen sollte.

Schildmann betont, dass es zudem von großer Bedeutung sei, den Sozialstaat intakt zu halten und nicht zur Verhandlungsmasse darüber zu machen, was noch benötigt wird. In unsicheren und turbulenten Zeiten sei ein funktionierendes Sicherheitsnetz entscheidend, damit die Menschen im System verbleiben, das Projekt unterstützen und nicht das Gefühl haben, abgehängt oder bedroht zu werden. Kürzungen bei Sozialleistungen seien keine Lösung. Vielmehr müssen finanzielle Spielräume genutzt werden, ohne den sozialen Frieden zu gefährden. Hans Böckler, so Schildmann, würde sagen: „Hände weg vom Sozialstaat, lasst ihn heilen, wir brauchen ihn ganz dringend.“

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

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