Systemrelevant Podcast: Entwicklungen im europäischen Arbeits- und Sozialrecht
Ernesto Klengel und Daniel Hlava analysieren europäische Arbeitsrechtsentscheidungen zu Themen wie Arbeitszeiterfassung, Whistleblowing und Streikrecht. Zudem gibt es ein Update zur EU-Mindestlohnrichtlinie.
[27.02.2025]
Das Hugo-Sinzheimer-Institut (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht vierteljährlich einen Report, der die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) analysiert und wichtige juristische Entwicklungen im europäischen Arbeits- und Sozialrecht beleuchtet. In "Systemrelevant" bieten Ernesto Klengel, Direktor des HSI, und Daniel Hlava, Professor für Gesundheits- und Sozialrecht an der Universität Frankfurt, spannende Einblicke in die neuesten rechtlichen Entscheidungen und geben einen Ausblick auf den kommenden HSI-Report. Themen dieser Folge umfassen unter anderem die Zeiterfassungspflicht für alle Arbeitnehmer*innen, Whistleblowing, den Spielraum kollektiver Vereinbarungen sowie das Streikrecht. Die Folge zeigt, wie wichtig und relevant das europäische Arbeits- und Sozialrecht für die Praxis ist.
Arbeitszeiterfassung und Gleichstellung von Hausangestellten
Ein EU-Urteil von 2019 zur Arbeitszeiterfassung führte zu Gesetzesänderungen, doch in Spanien wurden Hausangestellte von der Zeiterfassungspflicht ausgenommen. Eine betroffene Hausangestellte klagte dagegen, woraufhin der EuGH prüfte, ob diese Ausnahme gegen EU-Recht verstößt und eine Diskriminierung von Frauen darstellt. Dies hat auch Auswirkungen auf Deutschland, wo Hausangestellte trotz eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts von 2021 nicht umfassend geschützt sind. Die Zeiterfassungspflicht ist nicht gesetzlich geregelt und gilt nicht für Privathaushalte. Zudem erschweren Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit den Schutz der Arbeitnehmerrechte. Gerichte erkennen zunehmend Klagen auf Mindestlohn an, jedoch nur, wenn der Arbeitnehmerstatus nachgewiesen wird. Eine gesetzliche Klarstellung zur Zeiterfassung könnte dabei helfen.
Rechtsprechung in zwei Whistleblowing-Prozessen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in zwei Fällen zur Meinungsfreiheit von Beschäftigten entschieden. Es ging um einen Polizeioberst aus Dagestan, der Korruptionsvorwürfe öffentlich machte, und einen Gewerkschaftsvorsitzenden der Moskauer Metro, der auf Sicherheitsmängel hinwies. Beide wurden entlassen, erhielten jedoch vom EGMR Recht. Die Entscheidung stärkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmer*innen, auch wenn sie gegen Geheimhaltungsinteressen der Arbeitgeber abgewogen wird. Dies trägt zur Transparenz im Arbeitsverhältnis bei. Zudem bleibt Russland trotz seines Ausschlusses aus dem Europarat für Altverfahren weiterhin an den EGMR gebunden.
Entwicklungen von EU-Richtlinien
Die 2022 verabschiedete EU-Mindestlohnrichtlinie soll faire Löhne sichern und die Tarifbindung stärken. Dänemark und Schweden klagten 2023, da die EU ihre Kompetenzen überschritten habe. Der Generalanwalt des EuGH stimmte dem kürzlich zu und empfahl die Aufhebung. Die endgültige Entscheidung wird im Mai 2025 erwartet. „Die Mindestlohnrichtlinie ist ein klares Signal für ein soziales Europa“, betont Ernesto Klengel und hofft, dass der EuGH den Schlussanträgen nicht folgen wird.
In der aktuellen Folge wird zudem über die neue EU-Richtlinie zur Schaffung eines Behindertenausweises gesprochen, diese soll die Mobilität von Menschen mit Behinderungen innerhalb der EU erleichtern, insbesondere durch ermäßigte Preise und barrierefreie Parkplätze. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt innerhalb von zweieinhalb Jahren und wird somit einen wichtigen Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung in Europa darstellen.
Bayrisches Familiengeld – Bummelstreik – Corona-Aufarbeitung – DSGVO – Benachteiligung
Warum Deutschland derzeit von der EU-Kommission vor dem EuGH verklagt wird und welche Rolle das Bayerische Familiengeld dabei spielt. Was ein Bummelstreik ist und wie ein finnisches Gericht dazu entschieden hat. Außerdem: Eine Kundgebung zum 1. Mai 2020, die von den spanischen Behörden wegen Corona-Schutzmaßnahmen verboten wurde. Welche Auswirkungen die DSGVO zunehmend auf das Arbeitsrecht und die Arbeitswelt hat – und welche Bedeutung IT-Vereinbarungen in diesem Zusammenhang haben. Welchen Spielraum solche Vereinbarungen bieten. Und warum ein Spanier vor dem EGMR trotz Benachteiligung im Bewerbungsverfahren keinen Schadenersatz zugesprochen bekam. All diese Themen werden im Verlauf dieser Folge besprochen.
Weitere Informationen
HSI-Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht 4/2024
Das Transkript zur Folge 232.
Alle Informationen zum Podcast
In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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