Quelle: HBS
Service aktuellSystemrelevant Podcast: Deutschlands drängende Investitionsbedarfe
600 Milliarden Euro Extrainvestitionen sind nötig, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Sebastian Dullien und Katja Rietzler erläutern, wo Investitionsbedarfe bestehen und wie sie finanziert werden können.
[17.05.2024]
Der deutsche Staat muss und kann über die kommenden zehn Jahre insgesamt rund 600 Milliarden Euro gezielt über die aktuelle Finanzplanung hinaus investieren, um Infrastruktur, Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Das haben das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer neuen gemeinsamen Studie errechnet.
Diese Extrainvestitionen sind notwendig, um beispielsweise die Infrastruktur zu modernisieren, Gebäude energetisch zu sanieren oder ausreichend Kita- und Ganztagsschulplätze anbieten zu können.
Sebastian Dullien, Direktor des IMK, erläutert die Felder, in die investiert werden muss: Die Infrastruktur auf kommunaler Ebene (wie z.B. Ausbau des ÖPNV, Schulen, Radwege, Brücken etc.), Bildung (Ausbau von Ganztagesschulen, Sanierung der Hochschulen), Wohnungsbau, überregionale Infrastruktur (Ausbau des Schienennetzes und der Bundesfernstraßen) sowie Klimaschutz und Klimaanpassung (Dekarbonisierung, Entsiegelung von Flächen).
In der Vergangenheit wurden Investitionen oft nach Kassenlage getätigt - wenn es noch Spielraum gab, wurde mehr Geld für Investitionen bereitgestellt, doch so ad hoc hatten die Kommunen kein Planungspersonal, um dieses Geld sinnvoll auszugeben und zu nutzen.
Daher ist es wichtig, für die kommenden Investitionen Planungssicherheit zu schaffen, damit Kommunen und Unternehmen Personal für diese Projekte einstellen können und somit künftige Investitionen sinnvoll genutzt werden können. Zusätzlich müssen lange Genehmigungsverfahren verschlankt werden, um die Umsetzung der Modernisierung und Transformation voranzutreiben.
Im Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung entspricht der zusätzliche Finanzbedarf rund 1,4% des BIP - diese Kredithöhe erlauben die Regelungen zur Schuldenbremse nicht, weshalb sie schnellstmöglich reformiert werden sollten. Eine "Goldene Regel" könnte beispielsweise den notwendigen Spielraum für Kredite ermöglichen, indem sie Investitionen in die Zukunft von der Schuldenbremse ausnimmt.
Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse, um diese notwendigen Investitionen umzusetzen.
Berechnet man die Wachstumseffekte mit ein, die Ausgaben für Infrastruktur und Bildung üblicherweise mit sich bringen, würde die Investitionsoffensive sogar eine niedrigere Schuldenquote bringen als ohne die Extrainvestitionen. Doch selbst wenn - wider Erwarten - die Investitionen kein Wachstum brächten, wäre die Verschuldung durch den prognostizierten Wachstumstrend der Wirtschaft tragbar.
Katja Rietzler, wissenschaftliche Referentin für Steuer- und Finanzpolitik, hält fest:
Wir brauchen diese Investitionen als Investitionen in den Standort Deutschland. Wir können und müssen uns das leisten.
Moderation: Marco Herack
Weitere Informationen zur Folge
IMK Policy Brief: Herausforderungen für die Schuldenbremse
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann