Quelle: HBS
Service aktuellSystemrelevant Podcast: Über Beschäftigtenrechte in supranationalen Organisationen
Arbeitsbeziehungen in supranationalen Organisationen wie der Europäischen Zentralbank und dem Europäischen Patentamt bergen rechtliche Risiken für Beschäftigte. Kritisch analysieren Christiane Schnell, Stefan Lücking und Ernesto Klengel gemeinsam mit Marco Herack die Rechtslage.
[26.07.2024]
In ihrer Grundrechtecharta bekennt sich die Europäische Union zu den Grundsätzen von Demokratie und Arbeitnehmerrechten. Innerhalb der Europäischen Institutionen jedoch finden die auf nationaler Stattdessen unterbindet die Arbeitgeberseite Arbeitnehmerrechte und Mitbestimmung oder beruft sich auf den "Sozialen Dialog“. Warum ist das so? Und welche Auswirkungen hat dies auf die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer?
Diese Fragen diskutieren HSI-Direktor Ernesto Klengel, Christiane Schnell vom Institut für Sozialforschung der Johann-Wolfgang-Goethe Universität und Stefan Lücking, Referatsleiter für den Förderschwerpunkt Mitbestimmung in der Forschungsförderung.
Aus Sicht der Mitbestimmungsforschung, so Stefan Lücking, betrifft dieses Thema verschiedene Entwicklungen, die nationale Gesetze in Frage stellen, besonders in international zusammengesetzten Unternehmen und extraterritorialen Institutionen wie der Europäischen Zentralbank und dem Europäischen Patentamt, wo nationales Recht keine Gültigkeit besitzt, und eigene Gesetzgebungen existieren. Dies führt zu rechtsfreien Räumen, insbesondere im Arbeitsrecht, bei der Mitbestimmung und dem Tarifvertragsrecht.
Es sei bemerkenswert, festzustellen, so Ernesto Klengel, dass die Grundprinzipien des europäischen Arbeitsrechts in supranationalen und internationalen Einrichtungen der EU offenbar nicht gelten, wodurch selbst deutsche Gerichte nicht zuständig sind. Dies führt zu einer rechtlichen Situation, in der deutsche Arbeitnehmer*innen, die in Deutschland arbeiten, keine Möglichkeit haben, Kündigungen vor einem deutschen Arbeitsgericht anzufechten.
Doch wie viele Menschen sind von dieser Art des Arbeitens betroffen? Zusammengefasst, so Christina Schnell, kann gesagt werden, dass es in Europa mindestens hunderte solcher Organisationen gibt, die insgesamt über 100.000 offiziell Beschäftigte haben. Es gibt jedoch auch eine beträchtliche Dunkelziffer aufgrund von atypischer Beschäftigung ohne formelle Arbeitsverträge, insbesondere in Bereichen wie der Gebäudereinigung und bei Vertragsarbeitern in höher qualifizierten Positionen mit befristeten Anstellungen.
Die aktuelle Rechtslage in supranationalen und internationalen Einrichtungen sei nicht nachhaltig, so Klengel. Es sei entscheidend, dass die EU-Grundsätze im Bereich Arbeitsschutz und Mitbestimmungsrechte entweder stärker ins EU-Recht integriert oder ins nationale Recht überführt werden. Lösungsoptionen seien vorhanden, und eine dringende Veränderung des Rechtsrahmens sei erforderlich.
Moderation: Marco Herack
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann