Podcast Systemrelevant: Wie schlimm trifft die zweite Coronawelle die Wirtschaft?
Die Corona-Infektionszahlen steigen rasant, die Politik zieht die Zügel an. Droht nun eine zweite Rezession? Sebastian Dullien erklärt, warum er einen solchen "Double Dip" momentan eher nicht sieht und welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen jetzt gefragt sind.
[27.10.2020]
Angesichts der steigenden Neuinfektionen mit dem Corona-Virus verschärft die Politik die Maßnahmen, um die Pandemie einzudämmen. Damit wächst auch die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen eines zweiten "Lockdowns". Viel diskutiert wird in diesem Zusammenhang über einen so "Double Dip", eine zweite Rezession nach einer kurzen Phase der Erholung. Im Gespräch mit Marco Herack erläutert IMK-Direktor Sebastian Dullien, warum er einen solchen Verlauf für eher unwahrscheinlich hält.
Der Einbruch der Wirtschaftsleistung im Frühjahr sei nach IMK-Berechnungen zu zu zwei Dritteln auf das verarbeitende Gewerbe zurückzuführen. Hier habe sich die Situation deutlich entspannt. Dass es wieder zu einer umfassenden Unterbrechung der Wertschöpfungsketten komme, sei derzeit nicht in Sicht. Stark betroffene Bereiche wie das Freizeit- und Hotelgewerbe machten hingegen nur einen geringen Anteil der Wertschöpfung aus.
Auch die Konsumentenseite gebe Anlass, nicht in Panik zu verfallen: So hätten die Verbraucher*innen selbst im zweiten Krisenquartal mehr konsumiert als im Vorjahr, wobei einige Branchen wie die Gastronomie gelitten, während der Onlinehandel oder Baumärkte profitiert hättten. Die Wirtschaftspolitik sollte hier weitere Anreize setzen, indem sie einerseits ihre Maßnahmen auf besonders betroffene Unternehmen und Berufs- und Bevölkerungsgruppen konzentriere, von denen ein direkter Stimulus zu erwarten sei - etwa Empfänger*innen der Grundsicherung.
Allgemein gelte auch in der zweiten Welle das Motto "Erst die Wirtschaft retten und im Nachgang um das Beheben der Schulden kümmern". Das sei zum einen generationengerechter als eine von der Pandemie ruinierte Wirtschaft zu hinterlassen und vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen ohnehin das Gebot der Stunde. "Wenn das Wirtschaftswachstum mittelfristig höher ist als der Zins, entschuldet man sich quasi von selbst", so Dullien.
Große ökonomische Risiken sieht er vor allem dann, wenn es jetzt nicht gelinge die Neuinfektionen in Deutschland und der Welt zu stabilisieren und sich die Pandemie dadurch über einen längeren Verlauf hinzöge. Wirksame Kontaktbeschränkungen und vorsichtiges Verhalten der Bevölkerung seien daher auch für die langfristige Erholung der Wirtschaft entscheidend.
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann