Systemrelevant Podcast: War die Impfstoff-Strategie alternativlos?
Sebastian Dullien und Marco Herack diskutieren die Möglichkeiten und Grenzen der europäische Impfstoff-Strategie. Hätte mehr Geld geholfen? Oder nur eine ganz andere Wirtschaftspolitik?
[22.1.2021]
Auch Wochen nach dem Start der Corona-Impfungen in Deutschland reißt die Kritik an der Geschwindigkeit der Kampagne und an der Menge des vorbestellten Impfstoffs nicht ab. „Der Frust ist groß“, fasst Systemrelevant-Moderator Marco Herack die Stimmung zusammen. Zu Recht? Sebastian Dullien sieht in unserem neuen Podcast durchaus auch Defizite. „Ich glaube da ist schon einiges schief gelaufen“, sagt der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Es ist ganz sicher so, dass man sich Anfang vergangenen Jahres mehr damit hätte beschäftigen müssen, wie man die Impfstoffproduktion schneller hochfahren kann“.
Zugleich warnt er aber vor vorschnellen und unterkomplexen Schuldzuweisungen. „Ganz so einfach ist es nicht. Wenn man eine andere Priorität [beim Einkauf] gesetzt hätte, wären wir heute gar nicht so viel weiter, aber wir hätten vielleicht die Perspektive, dass wir schneller durchgeimpft wären“, so Dullien. Denn selbst wenn die EU von allen potenziellen Impfstoffen genug bestellt hätte, wären diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht in ausreichenden Mengen vorhanden. „Es gibt kurzfristig nicht unbegrenzt Produktionskapazitäten und Anlagen“.
Eine Vielzahl von Faktoren und Voraussetzungen sei bei der Bewertung der bisherigen Impf-Politik der EU und der Bundesregierung zu berücksichtigen. Einfach nur mehr Geld auszugeben, hätte jedenfalls nicht allein gereicht, um die Produktion der Impfstoffe wesentlich zu beschleunigen, so Dullien. Das Stichwort laute hier „Angebotselastizität“ – nur wenn der Preis hochgehe, bedeute es noch nicht, dass die Unternehmen auch deutlich schneller produzieren könnten.
Eine deutlich umfangreichere Produktion der verschiedenen Impfstoffe sei voraussetzungsreicher gewesen: Vom vorzeitigen Anlagenbau über die Sicherung der globalen Lieferketten für alle notwendigen Güter. Der Vorgang hätte vergleichbar mit einer „Kriegswirtschaft“ ausfallen müssen, bei dem der Staat eine sehr viel aktivere Rolle hätte übernehmen müssen. Welche Implikationen sich daraus ergeben hätten und welche Schlussfolgerungen wir für die Wirtschaftspolitik der Zukunft ziehen sollten, erläutert Sebastian Dullien im Laufe der Folge.
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann