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Systemrelevant Podcast: Braucht Crowdwork Regulierung? - Mit Johanna Wenckebach

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts und ein Vorschlag zur Regulierung von Plattformarbeit bringen Bewegung in die arbeitsrechtliche Bewertung von Crowdwork. HSI-Direktorin Johanna Wenckebach ordnet die neuen Entwicklungen ein.

[04.12.2020]

Personen befördern, Essen ausliefern, Programmieren oder Reinigungstätigkeiten: Die Bandbreite von Tätigkeiten, die im Rahmen der Plattformökonomie abgewickelt werden, wächst. Wie viele Menschen mittlerweile im Rahmen internetbasierter Geschäftsmodelle beschäftigt sind, weiß niemand so genau. Schätzungen gehen für Deutschland von 500.000 bis 1,6 Millionen Menschen aus, sagt die Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung (HSI), Johanna Wenckebach im Gespräch mit Marco Herack.

Sie erforscht mit ihren Kolleg:innen am HSI seit einiger Zeit die arbeits- und sozialrechtlichen Herausforderungen in Verbindung mit Crowdwork und Plattformarbeit. Dabei stelle sich die Frage, ob Crowdworker:innen als Selbstständige zu betrachten sind, wie von den Plattformanbietern meist behauptet oder ob diese Beschäftigten weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit nachgehen. Letzteres würde bedeuten, dass den Beschäftigten fundamentale Arbeitnehmerrechte - vom Kündigungsschutz bis zur betrieblichen Mitbestimmung - zustünden. Auch die Frage der sozialen Sicherung werde dadurch tangiert.

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von Anfang Dezember 2020 hat hierfür eine für Wenckebach wegweisende Bedeutung. In dem Fall ging es um einen Mikrojobber, dem durch eine Kündigung ein essenzieller Verlust der Verdienstgrundlage attestiert wurde. „Dieser Fall wird die die Urteilspraxis in den anderen Instanzen entscheidend beeinflussen“, urteilt Wenckebach nach ausführlicher Analyse des Falls.

Außerdem begrüßt die promovierte Juristin ein ungefähr zeitgleich veröffentlichtes Eckpunktepapier der Denkfabrik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Regulierung von digitaler Plattformarbeit. Insbesondere die Umkehrung der Beweislast zugunsten der Beschäftigten sei wichtig, da ihnen wichtige Informationen über die Funktionsweise und algorithmischen Mechanismen des Crowdsourcings durch Apps & Co fehlten. So werde es beispielsweise erschwert Scheinselbstständigkeit aufzudecken.

Wichtig sei zudem, dass die Beschäftigten in der Plattformökonomie sichere Kommunikationswege hätten, um sich gewerkschaftlich oder betrieblich zu organisieren und ihre Rechte im Sinne der Tarifautonomie geltend zu machen. „Diese Regulierung und wirksame Kontrolle ist wichtig, da es hier nicht kurzfristig um eine Handvoll Beschäftigter geht, sondern um Gestaltung der Arbeit der Zukunft“, so Wenckebach abschließend.

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

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