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Systemrelevant Podcast: Hat die Ampel die Haushalte be- oder entlastet?

Während der Hochinflationsphase von 2021 bis 2024 hat die Ampelregierung verschiedene Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte ergriffen. Sebastian Dullien spricht darüber, wie effektiv diese Maßnahmen waren und wie sich die Kaufkraft seit 2021 entwickelt hat.

[11.09.2024]

Katja Rietzler (Referatsleitung Steuer- und Finanzpolitik), Silke Tober (Referatsleitung Geldpolitik und Inflation) und Sebastian Dullien (Direktor des IMK) haben in ihrer neuen Studie untersucht, wie sich die Belastung der Haushalte durch Steuern und Abgaben von 2021 bis 2024 entwickelt hat, welche Effekte die Maßnahmenpakete der Ampelregierung hatten und welchen Anteil an der Gesamtentwicklung durch Tarifparteien ausgehandelte Lohnerhöhungen hatten. 

Zu den Entlastungsmaßnahmen der Regierung zählen beispielsweise die Erweiterung der Midijobzone, die Verschiebung des Einkommenssteuertarifs, Sonderzahlungen wie die Energiepreispauschale und Zahlungen für Familien sowie erhöhte Kinderfreibeträge. Die Auswertung bildet außerdem alle preislichen Veränderungen, wie z.B. das Wegfallen der Energiepreisbremsen, ab. Analysiert wurde, wie viel Nettoeinkommen in verschiedenen Einkommensgruppen vom Brutto übrig blieb - und ob die kalte Progression möglicherweise zugeschlagen hat und Haushalte belastet hat. Von kalter Progression spricht man, wenn eine Gehaltserhöhung durch die Inflation aufgefressen wird, aber trotzdem zu höherer Besteuerung führt und somit weniger Geld als vorher im Portemonnaie ist.

Das Ergebnis der Untersuchung: Die meisten Haushalte wurden entweder entlastet oder nicht spürbar belastet. Eine wichtige Ausnahme sind Haushalte mit Kindern und mittleren Einkommen. Aufgrund eines deutlichen Zurückbleibens des Kindergeldes hinter der Inflation und dem Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge sind diese Haushalte teilweise spürbar zusätzlich belastet worden. Diese Familien mit mittlerem Einkommen wurden zudem besonders stark von der Inflation getroffen, da sie einen großen Anteil ihres Einkommens für Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Nahrungsmittel ausgeben - also genau für die Dinge, bei denen die Inflation die Preise am stärksten in die Höhe getrieben hat. Die FDP will dieser stärkeren Belastung mit Steuersenkungen entgegenwirken - laut Sebastian Dullien gäbe es dafür aber wirksamere Mittel:

Man könnte diese betroffenen Familien sehr einfach entlasten: Durch eine Kindergelderhöhung. Dann hätte man sehr zielgenau nur diese Familien, die da leiden mussten. Aber das ist nichts, was Christian Lindner vorschlägt. Von daher habe ich ein bisschen den Verdacht, dass es eigentlich gar nicht darum geht, die sogenannte hart arbeitende Mitte, die Familien dort zu entlasten, sondern es geht eigentlich darum, das als Vorwand zu nehmen, um den Reichen und den Gutverdienern die Steuern und Abgaben zu senken.

Sebastian Dullien

Eine hilfreiche Brückenlösung für die Hochinflationsphase war die Inflationsausgleichsprämie, die sowohl Arbeitnehmenden als auch Unternehmen geholfen hat - genauere Informationen dazu gibt es im Policy Brief 171.
Sebastian Dullien gibt den Gesamtmaßnahmen der Ampelregierung die Schulnote zwei - und wiederholt den Nachbesserungsbedarf bei Familien mit mittlerem Einkommen:

Die Maßnahmen haben im Großen und Ganzen das erfüllt und eigentlich ist es besser gelaufen, als man erwartet hätte. Also es hieß, nach diesem ursprünglichen Preisschock, nach der russischen Invasion in die Ukraine, der Sprengung der Erdgaspipelines aus Russland, dass es jahrelang dauern würde, bis die Kaufkraft wieder zurückgewonnen ist. Und das hat relativ zügig geklappt. Wo ich eben ein bisschen die Lücke sehe, sind die Familien mit Kindern in den mittleren Einkommensbereichen. Das ist schon schwierig genug, mit kleinen Kindern und mittleren Einkommen zu leben und von daher sollte man hier noch mal nachbessern mit dem Kindergeld.

Sebastian Dullien

Moderation: Marco Herack

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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

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