Ein Jahr Corona-Krise: Warum die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern wächst
Frauen haben während der Schul- und Kitaschließungen mehr Sorgearbeit geleistet und häufiger ihre Arbeitszeit verkürzt. Von Bettina Kohlrausch
[08.03.2021]
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie stehen die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Krise im Mittelpunkt unserer Forschung in der Stiftung. So auch die Frage der Gleichberechtigung: Haben sich Geschlechterungleichheiten verschärft oder ergeben sich durch Kurzarbeit und Homeoffice sogar neue Möglichkeiten für mehr Gerechtigkeit?
Diese Fragen beantworten Aline Zucco und Yvonne Lott in ihrem neuen, umfassenden Bericht über den Stand der Gleichstellung von Männern und Frauen in der Krise. Ihre Forschungsergebnisse zeigen: Die traditionellen Strukturen werden sich durch den Schock der Corona-Krise nicht grundlegend verändern. Sie führen aber dazu, dass etwa die Schließung von Schulen und Kitas und die Instrumente zur sozialen Abfederung der Krise unterschiedliche Folgen für Männer und Frauen haben. Aufgrund des Ehegattensplittings und des schon vor der Krise bestehenden Gender Pay Gaps profitieren Frauen beispielsweise in geringerem Maße vom Kurzarbeiter*innengeld.
Bei der Sorgearbeit zeigt sich eine große Stabilität, 70 Prozent der Paare haben ihre Arbeitsverteilung nicht verändert. Unter den Bedingungen der Krise bedeutet das aber zum Beispiel auch, dass Frauen während der Schul- und Kitaschließungen mehr Sorgearbeit leisten müssen. Sie haben deshalb häufiger als Männer ihre Arbeitszeit verkürzt und nicht immer besteht die Möglichkeit, zu ihrem vorherigen Arbeitsvolumen zurückzukehren. Hier besteht die Gefahr einer dauerhaften Verschärfung von Geschlechterungleichheiten.
Insgesamt spricht leider viel dafür, dass sich Ungleichheitsstrukturen in der Krise verschärfen und damit auch langfristig zu einer wachsenden Ungleichheit zwischen den Geschlechtern führen könnten – wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Gleichzeitig können wir durch die Erfahrungen der Krise lernen, welche Faktoren eine ausgeglichene Verteilung der Sorgearbeit ermöglichen: Mehr Arbeit im Homeoffice und ein geringeres Arbeitszeitvolumen sind wichtige Säulen einer gerechteren Geschlechterordnung.
Prof. Dr. Bettina Kohlrausch ist die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
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