Quelle: HBS
Service aktuellEuropawahl: Soziale Politik ist das Fundament eines demokratischen Europas
Obwohl die EU die letzte Wahl besser überstand als befürchtet, konnte die AfD in Deutschland deutlich zulegen. Wie kann die Demokratie gestärkt werden? Bettina Kohlrausch erklärt, wie entscheidend gute Arbeitsbedingungen und soziale Politik sind, um extremen Rechten entgegenzuwirken.
[05.08.2024]
Von Bettina Kohlrausch
Vor dem Hintergrund der Befürchtungen, die vor der letzten Europawahl bestanden, scheint die EU noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Zwar haben extrem rechte Parteien Zugewinne verzeichnet, diese fielen jedoch weniger stark aus als befürchtet. Dennoch haben extrem rechte Parteien im Europäischen Parlament an Einfluss gewonnen. Besonders in Deutschland konnte die AfD signifikante Stimmengewinne verzeichnen. Dies alles sollte Anlass sein, darüber nachzudenken, wie die kommende Legislaturperiode des Europäischen Parlaments genutzt werden kann, um pro-demokratische Einstellungen in der Bevölkerung und damit auch demokratische Parteien in den Ländern der EU zu stärken. Eine im Vorfeld der Europawahl veröffentlichte Studie des WSI bietet Antworten auf die Frage, wie dies gelingen kann.
Für die Untersuchung wurden im November und Dezember 2023 in zehn Ländern (Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Schweden und Ungarn) jeweils 1500 Erwerbspersonen befragt. Die Umfrage fand somit in Ländern statt, die sich sowohl in ihrer aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage unterscheiden als auch in den institutionellen Strukturen der Politik, am Arbeitsmarkt und bei den industriellen Beziehungen. Trotz dieser Unterschiede zeigten sich in allen Ländern drei große Trends:
Erstens wurde deutlich, dass schlechte Arbeitsbedingungen und das sich daraus ergebende Potenzial für Frust sowie Benachteiligungs- und Ohnmachtserleben in allen untersuchten Ländern ein Nährboden für die Entstehung anti-demokratischer Einstellungen sind, die dann von rechten Parteien mobilisiert werden können.
Zweitens stärken gute Arbeitsbedingungen das Vertrauen in die EU, und das selbst in den Ländern, in denen die EU ablehnende Parteien regieren oder bis vor kurzem regiert haben. Darüber hinaus wählen Erwerbstätige mit einem hohen EU-Vertrauen seltener extrem rechte Parteien. Hier zeigt sich, dass das Vertrauen in die EU, sogar in Ländern, die von extrem rechten Parteien regiert werden, demokratische Haltungen stärkt.
Drittens stärken Transformationssorgen extrem rechte Parteien. Progressive Kräfte in der EU sollten daher daran interessiert sein, Transformationsprozesse sozial gerecht zu gestalten. Die Arbeitswelt ist europaweit relevant, um den Aufstieg der politischen extremen Rechten zu verstehen und zu bekämpfen.
Die Befunde der WSI-Studie verdeutlichen, dass gute Arbeitsbedingungen und eine soziale Gestaltung von Transformationsprozessen, wie dem sozial-ökologischen Wandel oder der Digitalisierung, positive Auswirkungen auf demokratische Einstellungen haben. Wenn Menschen am Arbeitsplatz Erfahrungen gesellschaftlicher Teilhabe machen, stärkt dies das demokratische Fundament der EU.
Prof. Dr. Bettina Kohlrausch ist die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.
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