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Maxi Leuchters Editorial Newsletter Hans 15/2023 Service aktuell

Soziale Mindeststandards: Verpasste Chance für soziale Nachhaltigkeit

Bei der Transformation der Wirtschaft spielt die europäische Taxonomie-Verordnung eine besondere Rolle. Leider ist die soziale Dimension von Nachhaltigkeit in ihr aber nicht ausreichend berücksichtigt, so Maxi Leuchters.

[14.08.2023]

Wie sind die Arbeitsbedingungen, unter denen Technologien erneuerbarer Energien wie etwa Solarpaneele oder Windkraftanlagen hergestellt werden? Wird der Arbeitsschutz bei der energetischen Haussanierung eingehalten? Oder wird die Gründung eines Betriebsrates möglicherweise durch den Arbeitgeber verhindert? All diese Fragen spielen für die Klassifizierung von nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeiten in der EU-Taxonomie keine Rolle. Ein schweres Defizit.

Denn die europäische Taxonomie-Verordnung hat bei der Akquirierung der benötigten Investitionen für die Transformation der Wirtschaft eine besondere Bedeutung. So sollen wirtschaftliche Tätigkeiten anhand von sechs Umweltzielen bewertet werden, um mehr Transparenz für Investor*innen zu schaffen. Wirtschaftliche Tätigkeiten von Unternehmen können demnach als nachhaltig bezeichnet werden, wenn sie zu einem der sechs Umweltziele einen wesentlichen Beitrag leisten, die anderen Ziele nicht erheblich beeinträchtigen („Do No Significant Harm“-Kriterien) sowie soziale Mindeststandards eingehalten werden.

Die sechs Umweltziele Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung und Schutz von Ökosystemen und Biodiversität werden für verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten in sogenannten „delegierten Rechtsakten“ aufgeschlüsselt. Ebenso muss detailliert dargelegt werden, dass die anderen Umweltziele nicht beeinträchtigt werden.

Die Taxonomie entfaltet bereits Wirkung: Unternehmen, die bereits heute verpflichtend eine Corporate Social Responsibility-Berichterstattung veröffentlichen müssen, geben für das Finanzjahr 2022 den taxonomiekonformen Anteil des Umsatzerlöses, der Investitions- und Betriebsausgaben an. Kreditinstitute müssen ab 2024 ebenfalls eine spezifische Nachhaltigkeitskennziffer veröffentlichen: Eine „Green Asset Ratio“, die den Anteil ihres nachhaltigen Geschäfts entsprechend der Taxonomie angibt. Diese Kennzahlen könnten für die Unternehmenssteuerung immer wichtiger werden.

Die sozialen Standards spielen aber leider in der bereits geltenden Verordnung nur eine untergeordnete Rolle. Die europäische Verordnung sieht zwar vor, dass die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte eingehalten werden sollen, aber die Details sind nicht mit technischen Standards hinterlegt. Zudem sollen nur „erhebliche Beeinträchtigungen” eine Rolle spielen. So ist unklar, welche Vorgaben Unternehmen konkret erfüllen müssen, die soziale Dimension von Nachhaltigkeit ist in der Taxonomie nicht ausreichend berücksichtigt. Hier muss der europäische Gesetzgeber dringend nachbessern. Denn die Tendenz, soziale Standards zu verwässern, ist auch bei anderen Rechtsakten zu beobachten, wie etwa bei den Berichtsstandards zur neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Nachhaltig ist das nicht.

Maxi Leuchters leitet das Referat Unternehmensrecht und Corporate Governance des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung.

Weitere Informationen

Soziale Mindeststandards in der Taxonomie

EU-Taxonomie: Nachhaltig sozial?

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